Per Datensuche ultradünnen Materialien auf der Spur

Studie identifiziert umfangreichen Satz neuartiger 2D-Materialien

14.03.2022 - Deutschland

Zweidimensionale (2D) Materialien verfügen über außergewöhnliche Eigenschaften. Sie bestehen in der Regel aus nur wenige Nanometer dünnen Atomlagen, die zum Beispiel Wärme und Elektrizität besonders gut leiten können. Zum Erstaunen vieler Wissenschaftler*innen wurde vor kurzem bekannt, dass 2D-Materialien auch auf der Grundlage bestimmter Metalloxide existieren können, die unter anderem für nanoelektronische Anwendungen von großem Interesse sind. Einem deutsch-amerikanischen Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) ist es nun mithilfe datengestützter Methoden gelungen, 28 Vertreter dieser neuen Materialklasse vorherzusagen.

HZDR / Rico Friedrich

Diese Abbildung zeigt die semitransparente Struktur von Germanium-Mangan-Oxid (GeMnO3), eines der neu entdeckten 2D-Materialien, auf seiner magnetischen Oberflächenstruktur. Das Farbmuster hebt Bereiche in der Umgebung von magnetischen Ionen hervor, in denen die Magnetisierung aus der Ebene heraus (rot) oder in sie hinein (blau) weist. Diese starke räumliche Variation der magnetischen Information könnte bei der Anwendung z. B. in Datenspeichern eine entscheidende Rolle spielen.

Zwischen herkömmlichen 2D-Materialien wie Graphen und den neuartigen, die sich aus Metalloxiden wie Ilmenit oder Chromit synthetisieren lassen, besteht ein wesentlicher Unterschied: Letztere bilden in ihrer Kristallstruktur keine schwachen Wechselwirkungen – sogenannte van-der-Waals-Kräfte – aus, sondern stärkere, in alle Richtungen weisende ionische Bindungen. Aus diesem Grund ist es bislang in nur wenigen Experimenten gelungen, neuartige 2D-Materialien von dreidimensionalen Materialblöcken abzulösen. Die Ergebnisse der Studie könnten jetzt weitere solcher Versuche zum Erfolg führen. Mittels theoretischer Methoden sagen sie voraus, welche Verbindungen sich für die experimentelle Forschung überhaupt lohnen.

„Bei unserem datengestützten Verfahren haben wir zunächst auf die ersten verfügbaren experimentellen Informationen aufgebaut, davon ausgehend strukturelle Prototypen entwickelt und diese dann als Filterkriterium über eine riesige Material-Datenbank laufen lassen“, erklärt Studienleiter Dr. Rico Friedrich vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR. „Die wesentliche Herausforderung bestand darin, herauszufinden, warum diese Materialien bei ganz bestimmten Oxiden so leicht 2D-Systeme bilden. Daraus konnten wir ein valides, verallgemeinertes Such-Kriterium entwickeln und die ermittelten Kandidaten systematisch nach ihren Eigenschaften charakterisieren.“

Hierfür wendeten die Forscher in erster Linie die sogenannte Dichtefunktionaltheorie an, eine praktische Berechnungsmethode für elektronische Strukturen, die in der Quantenchemie und der Physik der kondensierten Materie weit verbreitet ist. Für die nötigen Rechenschritte arbeiteten sie mit mehreren Hochleistungs-Rechenzentren aus Deutschland zusammen. Ein entscheidender Faktor war die Bestimmung der Exfoliationsenergie: Sie definiert, wie viel Energie aufgewendet werden muss, um eine 2D-Schicht von der Oberfläche eines Materials abzulösen.

Material-Datenbank mit rund 3,5 Millionen Einträgen

Bei der Studie kam auch die Material-Datenbank AFLOW (Automatic Flow for Materials Discovery) zum Einsatz. Sie wird seit über 20 Jahren von Prof. Stefano Curtarolo von der Duke University (USA) entwickelt, der ebenfalls als Autor an der Studie beteiligt ist. AFLOW gilt als eine der größten materialwissenschaftlichen Datenbanken und klassifiziert rund 3,5 Millionen Verbindungen mit mehr als 700 Millionen berechneten Materialeigenschaften.

Zusammen mit der zugehörigen Software lieferte die Datenbank den Forschern schließlich nicht nur die chemische Zusammensetzung von 28 2D-fähigen Materialien, sondern ermöglichte auch die Untersuchung ihrer Eigenschaften, die sowohl in elektronischer und magnetischer als auch topologischer Hinsicht bemerkenswert sind. Rico Friedrich zufolge könnten sie durch ihre spezielle magnetische Oberflächenstruktur besonders für spintronische Anwendungen, etwa Datenspeicher in Computern oder Smartphones, attraktiv sein.

„Ich bin mir sicher, dass wir noch weitere 2D-Materialien dieser Art finden können“, wirft der Dresdner Physiker einen Blick voraus. „Mit genügend Kandidaten ließe sich vielleicht sogar eine eigene Datenbank aufbauen, die ganz auf diese neue Materialklasse spezialisiert ist.“ Die HZDR-Wissenschaftler stehen in engem Kontakt mit Kolleg*innen eines themennahen Sonderforschungsbereichs an der TU Dresden sowie mit der führenden Forschungsgruppe für die Synthese neuartiger 2D-Systeme in den USA. Mit beiden Partnern wollen sie die weitere Untersuchung der vielversprechendsten Verbindungen vorantreiben.

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