23.05.2022 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Es tut sich was auf den Nanoteilchen

Erstmals mit Hilfe von Laserlicht den Ort von lichtinduzierten Reaktionen auf der Oberfläche von Nanopartikeln gesteuert

Starke elektromagnetische Felder auf Nanopartikeln zu kontrollieren ist der Schlüssel, um auf deren Oberflächen gezielt molekulare Reaktionen auszulösen. Eine solche Kontrolle über Starkfelder erreicht man über Laserlicht. Zwar wurden in der Vergangenheit eine laserinduzierte Entstehung und Brechung von molekularen Bindungen auf Nanopartikeloberflächen beobachtet, doch eine nanoskopische optische Kontrolle von Oberflächenreaktionen wurde bisher nicht erreicht. Ein internationales Team um Dr. Boris Bergues und Prof. Matthias Kling an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Zusammenarbeit mit der Stanford University hat diese Lücke nun geschlossen. Die Physiker bestimmten erstmals den Ort von lichtinduzierten molekularen Reaktionen auf der Oberfläche von isolierten Siliziumdioxid-Nanopartikeln mit Hilfe von ultrakurzen Laserpulsen.

Es herrscht Trubel auf der Oberfläche von Nanopartikeln. Moleküle docken an, lösen sich und verändern ihren Aufenthaltsort. Das alles treibt chemische Reaktionen an, verändert Materie und lässt sogar neue Materialien entstehen. Das Geschehen im Nanokosmos lässt sich mit Hilfe von elektromagnetischen Feldern kontrollieren. Das hat nun ein Team um Dr. Boris Bergues und Prof. Matthias Kling aus der Ultraschnellen Elektronik und Nanophotonik Gruppe gezeigt. Das Team hat mittels starker, Femtosekunden-langer Laserpulse hierfür lokale Felder auf den Oberflächen isolierter Nanopartikel erzeugt. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde.

Mit Hilfe der so genannten Reaktions-Nanoskopie, einer neuen Technik, die kürzlich in der gleichen Gruppe entwickelt wurde, waren die Physiker in der Lage, den Reaktionsort und den Geburtsort von Molekülfragmenten auf der Oberfläche von Siliziumdioxid-Nanopartikeln abzubilden - und dies mit einer Auflösung besser als 20 Nanometer. Die nanoskopische örtliche Kontrolle, die mit noch höherer Auflösung erreichbar ist, bewirkten die Wissenschaftler, indem sie die Felder von zwei Laserpulsen mit unterschiedlicher Farbe, kontrollierter Wellenform und Polarisation überlagerten. Hierbei mussten sie den Zeitversatz zwischen den beiden Pulsen mit einer Genauigkeit von Attosekunden einstellen. Eine Attosekunde ist noch tausend Mal kürzer als eine Femtosekunde. Bei der Wechselwirkung mit diesem maßgeschneiderten Licht wurden die Oberfläche der Nanoteilchen und die dort adsorbierten Moleküle an gezielten Stellen ionisiert, wobei die Moleküle in verschiedene Fragmente aufgespalten wurden. 

„Molekulare Oberflächenreaktionen auf Nanopartikeln spielen in der Nanokatalyse eine grundlegende Rolle. Sie könnten ein Schlüssel zur sauberen Energiegewinnung sein, insbesondere mittels photokatalytischer Wasserspaltung“, erläutert Matthias Kling. „Unsere Ergebnisse ebnen den Weg, um photokatalytische Reaktionen auf Nanopartikeln in Zukunft nicht nur räumlich mit Nanometerauflösung, sondern auch zeitlich mit Femtosekundenauflösung zu verfolgen. Dies wird detaillierte Einblicke in die Dynamik von Oberflächenprozessen auf deren natürlichen Raum- und Zeitskalen ermöglichen“, ergänzt Boris Bergues.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich dieser vielversprechende neue Ansatz auf zahlreiche komplexe isolierte nanostrukturierte Materialien anwenden lässt.

Fakten, Hintergründe, Dossiers
  • Siliziumdioxid
  • Nanoskopie
  • Nanokatalyse
  • Photokatalyse
Mehr über MPI für Quantenoptik
  • News

    Lichtgetriebene Molekülschaukel

    Trifft Licht auf Moleküle, wird es absorbiert und wieder abgegeben. Fortschritte in der Ultrakurzzeit-Laser-Technologie haben die Detailgenauigkeit bei der Untersuchung solcher Licht-Materie-Wechselwirkungen stetig verbessert. FRS, eine Laserspektroskopie-Methode, bei der das elektrische Fe ... mehr

    Molekulare Musik ordentlich aufgedreht

    Empfindliche Tiernasen können Spurenpartikel, wie flüchtige organische Verbindungen, in der Umgebungsluft erschnuppern. Der Mensch dagegen entwickelt dafür innovative Technologien, wie etwa die optische Spektroskopie. Dabei wird mit Hilfe von Laserlicht die molekulare Zusammensetzung von Ga ... mehr

    Ein Nanokelvin-Mikrowellenkühlschrank für Moleküle

    Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben eine neuartige Kühltechnik für molekulare Gase entwickelt, die es ermöglicht, polare Moleküle bis auf wenige Nanokelvin zu kühlen. Der Trick des Teams in Garching, um diese Hürde zu überwinden, basiert auf einem rotierenden Mikrowellenf ... mehr

  • Forschungsinstitute

    Max-Planck-Institut für Quantenoptik

    Die Wechselwirkung von Licht und Materie unter extrem kontrollierten Bedingungen ist das gemeinsame Kennzeichen der fünf wissenschaftlichen Abteilungen am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Die Abt. Laserspektroskopie befasst sich mit der hochpräzisen Vermessung der Spektrallinien von Wa ... mehr

Mehr über LMU
  • News

    Die Chemie der Mumifizierung

    Ein internationales Forschungsteam der LMU und der Universität Tübingen entschlüsselt altägyptische Balsamierung. Gefäße aus einer Mumifizierungswerkstatt in Sakkara erlauben neue Einblicke, welche Substanzen zur Konservierung von Körpern verwendet wurden. Vor genau 100 Jahren wurde das Gra ... mehr

    Lichtgetriebene Molekülschaukel

    Trifft Licht auf Moleküle, wird es absorbiert und wieder abgegeben. Fortschritte in der Ultrakurzzeit-Laser-Technologie haben die Detailgenauigkeit bei der Untersuchung solcher Licht-Materie-Wechselwirkungen stetig verbessert. FRS, eine Laserspektroskopie-Methode, bei der das elektrische Fe ... mehr

    Leistungsstärkstes Dual-Comb-Spektrometer entwickelt

    Forschende der Professur für Lasertechnologie und Spektroskopie sowie vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik München und der Ludwig-Maximilians Universität München haben das weltweit leistungsstärkste Dual-Comb-Spektrometer entwickelt, das den Weg für viele Anwendungen in der Atmosphärenf ... mehr

Mehr über Stanford University