Magnetismus lenkt einzelne Atome

Potenzial für kontrollierte Atombewegung in Nanotechnologie und Datenspeicherung

12.06.2025
© UHH/MIN/Kubetzka

Schematische Darstellung des Versuchs: Das Adatom (rot) bewegt sich eindimensional auf der magnetischen Reihe, wenn ein kurzer lokaler Spannungspuls durch die Spitze des Rastertunnelmikroskops erfolgt. Blaue und gelbe Kreise zeigen Atome der Oberfläche und die weißen Pfeile die Ausrichtung ihrer „atomaren Stabmagnete“

Normalerweise bewegen sich einzelne Atome auf Oberflächen eher zufällig – beeinflusst vor allem durch die Symmetrie der Oberfläche. Dieser Prozess, bekannt als „Diffusion“, spielt eine zentrale Rolle bei der Herstellung von Halbleitern, in Katalysatoren oder beim Aufbau von Nanostrukturen. Schon länger vermuteten Forschende, dass Magnetismus ebenfalls die Bewegung einzelner Atome beeinflussen könnte. Nun konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Universität Hamburg erstmals experimentell zeigen: Auf einer magnetischen Oberfläche lassen sich Atome gezielt entlang einer Richtung lenken. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in „Nature Communications“.

Gezielte Bewegung statt Zufall

Der Nachweis gelang dem Team mithilfe eines Rastertunnelmikroskops. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (vier Kelvin) brachten sie einzelne Atome wie Kobalt, Rhodium und Iridium auf eine Mangan-Schicht, die exakt eine Atomlage dick ist und zuvor gezielt auf eine Rhenium-Oberfläche aufgedampft wurde. Durch diesen Aufbau entsteht eine besonders gut definierte, magnetisch geordnete Oberfläche, bei der die magnetischen Eigenschaften der einzelnen Atomreihen genau bekannt sind.

Dabei zeigte sich: Obwohl diese Schicht eine symmetrische, sechseckige Struktur besitzt, bewegten sich die Atome darauf nach einem kurzen Stromimpuls nicht zufällig in eine der sechs möglichen Richtungen, sondern immer entlang magnetischer Reihen – selbst dann, wenn die Atome selbst nicht magnetisch sind, wie im Fall von Rhodium oder Iridium.

Quantenmechanik liefert die Erklärung

„Solche Bewegungen waren bislang theoretisch vorhergesagt, aber nie experimentell nachgewiesen“, sagt Professor Stefan Heinze vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der CAU. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Soumyajyoti Haldar führte er quantenmechanische Rechnungen auf den Supercomputern des Verbunds für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) in Berlin durch, um das Phänomen zu erklären.

Ihre Simulationen zeigen: Für die Atome ist es energetisch einfacher, sich entlang der magnetischen Reihen zu bewegen als quer dazu. Die Ursache liegt in einer magnetischen Wechselwirkung zwischen dem Atom und den Atomen der Oberfläche: Man kann sich beide als winzige Stabmagnete vorstellen. Bei Atomen magnetischer Elemente wie Kobalt entsteht diese Wechselwirkung durch ihr eigenes magnetisches Moment. Bei Atomen nicht magnetischer Elemente wie Rhodium oder Iridium wird ein kleines magnetisches Moment erst durch die Wechselwirkung mit der Oberfläche hervorgerufen und beeinflusst die Bewegungsrichtung. So bewegen sich die Atome bevorzugt entlang der magnetischen Reihen der Oberfläche. Bislang gingen Forschende davon aus, dass Magnetismus für die Bewegung einzelner Atome keine Rolle spielt – diese Annahme wird nun durch die neuen Ergebnisse widerlegt.

„Magnetische Eigenschaften einer Oberfläche können die Beweglichkeit einzelner Atome beeinflussen“, sagt Soumyajyoti Haldar. „Das eröffnet neue Möglichkeiten, atomare Bewegungen gezielt zu steuern – etwa für Anwendungen in der Nanotechnologie, der Datenspeicherung oder bei der Entwicklung neuartiger Materialien.“

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