Vom Gift zur Energiequelle

Einem Forschungsteam ist es gelungen, den Mikroorganismus T. kivui genetisch so zu manipulieren, dass er Kohlenmonoxid verstoffwechseln kann

13.06.2025
© Rami Mahmoud, TU Wien

Stefan Pflügl (links) im Labor mit den Erstautor_innen der beiden Publikationen, Angeliki Sitara (Mitte) und Rémi Hocq (rechts).

genetische Veränderungen können auf natürliche Weise, durch Evolution, entstehen, oder auch mithilfe von Gentechnik initiiert werden. Das Bakterium Thermoanaerobacter kivui (T. kivui) wurde von einem Forschungsteam um Stefan Pflügl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften an der TU Wien so manipuliert, dass es Kohlenmonoxid verstoffwechseln kann. Eingesetzt in Bioreaktoren kann es so einen Beitrag dazu leisten, Synthesegas, welches aus Kohlenmonoxid (CO), Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) besteht, in wertvolle Produkte umzuwandeln. 

Wie sich T. kivui dazu bringen lässt, CO als einzige Energiequelle zu nutzen, berichteten Stefan Pflügl und sein Team kürzliche in der Fachzeitschrift Nature Communications. Im Journal Biotechnology for Biofuels and Bioproducts berichtete das Team außerdem von seiner Methode, T. kivui gentechnisch binnen zwölf Tagen so zu verändern, dass es die gewünschten Eigenschaften zeigt.  

An Kohlenmonoxid gewöhnt

T. kivui wächst bei hohen Temperaturen und ist in der Lage, aus einfachen Molekülen wie Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff organische Stoffe zu produzieren. Diese Eigenschaften können genutzt werden, um das Bakterium zum Beispiel in Verbindung mit Biomassevergasungsanlagen einzusetzen, um die Wertschöpfung des dort aus Abfallbiomasse wie Agrarrestoffen oder Holzabfällen erzeugten Synthesegases zu steigern. So kann mithilfe von T. kivui mittels Gasfermentation Essigsäure, und nach entsprechender gentechnischer Veränderung, beispielsweise Ethanol oder Isopropanol nachhaltig hergestellt werden – Rohstoffe, die als Biokraftstoffe oder Chemierohstoffe Einsatz finden. Somit kann diese Technologie genutzt werden, um eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft basierend auf nachwachsenden Rohstoffen zu etablieren.

Kohlenmonoxid ist für viele Mikroorganismen, darunter auch T. kivui, von Natur aus giftig und hemmt das Wachstum. „Uns ist es jedoch gelungen, das Bakterium langsam an Kohlenmonoxid zu gewöhnen“, berichtet Stefan Pflügl, „später hat es Kohlenmonoxid sogar als alleinige Energie- und Kohlenstoffquelle nutzen können“. Diese Fähigkeit erwarb T. kivui innerhalb nur weniger Generationen auf natürliche Weise. 

Ein Blick auf das Genom verriet den Forschenden: ein Transposon, das ist ein bestimmter mobiler DNA-Abschnitt, ist für die neuen Eigenschaften verantwortlich. 

Evolution durch Gentechnik beschleunigen   

Diese Erkenntnis liefert nicht nur ein tieferes Verständnis dafür, wie sich Mikroorganismen an ihre Umwelt anpassen, sondern zeigt auch, wie sich natürliche evolutionäre Mechanismen für biotechnologische Zwecke nutzen lassen. 

Viele Bakterien verfügen über einen natürlichen Abwehrmechanismus, um virale DNA zu erkennen und unschädlich zu machen. „Diesen auch als Genschere CRISPR/Cas bekannten Mechanismus kann man nutzen, um DNA gezielt zu verändern. Mit unserer Methode, Hi-TARGET, lassen sich Gene entfernen, verändern oder neue hinzufügen“, erklärt Stefan Pflügl. So gelang es dem Forschungsteam einen Bakterienstamm zu entwickeln, der sehr ähnliche Eigenschaften aufweist wie jener, der durch natürliche Evolution entstanden ist. Die neue Methode ist nicht nur deutlich schneller als etablierte Methoden der Gentechnik, auch erzielten die Forschenden eine Erfolgsquote von 100 Prozent. 

Die gezielte genetische Manipulation durch Hi-TARGET eröffnet den Forschenden eine Art Spielwiese: Wie verändern sich die Eigenschaften von T. kivui, wenn Gene, die im Transposon enthalten sind, überexprimiert werden? Und lässt sich T. kivui so verändern, dass der Organismus aus Substraten wie CO2, H2 und CO, die nur wenig Energie liefern, anspruchsvollere Produkte herstellen kann? „Das Wissen, das wir durch T. kivui gewonnen haben, lässt sich auch auf andere Mikroorganismen übertragen, die gasförmige Substrate verstoffwechseln“, sagt Pflügl mit Blick in die Zukunft.

Originalveröffentlichung

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