Chemische Synthese: Neue, generalisierbare Methode für die mechanische Formung von 3D-Molekülstrukturen
Neue Möglichkeiten für das Design innovativer Materialien
Fäden und Seile eignen sich hervorragend zum Flechten, Knoten und Weben. In der Chemie dagegen ist eine derartige Verarbeitung von Molekülsträngen eine fast unlösbare Herausforderung. Denn Moleküle sind nicht nur winzig klein, sie sind ständig in Bewegung und lassen sich daher nicht ohne weiteres anfassen, halten oder gezielt verformen.
Einer Forschungsgruppe am Institut für Chemie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) unter der Leitung von Dr. Michael Kathan ist es jetzt gelungen, zwei Molekülstränge mithilfe eines künstlichen, lichtbetriebenen Nano-Motors gezielt umeinanderzuwickeln und damit eine besonders komplexe Struktur erzeugen: ein Catenan (von lateinisch „catena“ = Kette). Catenane bestehen aus zwei ringförmigen Molekülen, die wie Glieder einer Kette ineinander verschlungen sind – ohne chemisch miteinander verbunden zu sein. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Nano-Motor bringt eine neue Art von mechanischer Kontrolle in die Welt der Moleküle
„Was wir entwickelt haben, ist im Grunde eine Mini-Maschine, die durch Licht angetrieben wird und sich in eine Richtung dreht“, sagt Michael Kathan. „Diese kontrollierte Bewegung nutzen wir, um zwei Molekülstränge mechanisch umeinander zu wickeln und miteinander zu verbinden – ganz unabhängig davon, ob sie das von selbst tun würden oder nicht. Unser Motor bringt nun erstmals eine Art von mechanischer Kontrolle in die Welt der Moleküle, die wir bislang nur aus der makroskopischen Welt kannten.“
Neues Verfahren kann eine Vielzahl spezifischer dreidimensionaler Strukturen erzeugen
In der synthetischen Chemie war es bisher kaum möglich, Moleküle gezielt ineinander zu verschlingen, vor allem dann nicht, wenn diese Anordnung dem natürlichen Prozess der Selbstorganisation von Molekülen widerspricht. In der Natur sind Moleküle permanent in Bewegung und können sich in diesem Prozess zu dreidimensionalen Strukturen fügen. Bausteine der Zellen wie Proteine oder das Erbmolekül DNA setzen sich auf diese Art und Weise zusammen. Dies sind jedoch in der Regel keine festen und dauerhaften Strukturen. Im Labor wurde daher bisher häufig mit sogenannten Templaten gearbeitet – das sind molekulare Schablonen, die gezielte Strukturen vorgeben, aber nur mit bestimmten Molekülen funktionieren. Die neue Methode geht einen anderen Weg: Die künstliche molekulare Maschine kann eine Vielzahl von Molekülen gezielt in unterschiedlichste dreidimensionale Strukturen zwingen. Angetrieben durch Licht erzeugt der rotierende Motor mit jedem Schritt eine mechanisch definierte Windung, die anschließend chemisch fixiert wird. Die Bewegung ist dabei gerichtet und programmierbar. „Unsere Methode ist der erste Template-freie Ansatz, der eine derart präzise mechanische Kontrolle erlaubt, und sie ist darüber hinaus leicht generalisierbar“, sagt Michael Kathan.
Neue Möglichkeiten für das Design innovativer Materialien
Die mit der neuen Methode im Labor synthetisierten Catenane gelten als Grundbaustein für mechanisch verschränkte Strukturen wie molekulare Ketten, Gewebe oder Netzwerke. Die nun vorgestellte Studie zeigt erstmals, dass solche Strukturen prinzipiell aus ganz unterschiedlichen Molekülen hergestellt werden können. Damit liefert die Studie einen grundlegenden und generalisierbaren Konzeptansatz: Komplexe, mechanisch definierte Architekturen sind auf Molekülebene technisch machbar. Das erweitert den bisherigen Rahmen chemischer Synthese grundlegend und eröffnet die Möglichkeit, in Zukunft ganze Materialien gezielt aus mechanisch verschränkten Molekülen zu entwerfen. Solche Materialen hätten besondere Eigenschaften: Sie wären aufgrund ihrer molekularen Struktur höchst flexibel und zugleich höchst widerstandsfähig.
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