Technologie-Experte soll ThyssenKrupp auf Kurs bringen

28.09.2010 - Deutschland

(dpa-AFX) Generationswechsel bei ThyssenKrupp: Mit dem Amtsantritt des ehemaligen Siemens-Managers Heinrich Hiesinger steht künftig erstmals kein ausgewiesener Stahlexperte mehr an der Spitze des Industriekonzerns. Am 1. Oktober zieht der 50-jährige Technologieexperte als Vizechef in den Vorstand des größten deutschen Stahlkonzerns ein und lernt das Unternehmen kennen. Im Januar 2011 soll er dann die Nachfolge des 69 Jahre alten Vorstandsvorsitzenden Ekkehard Schulz antreten. Hiesinger betritt im doppelten Sinne Neuland: Noch nie stand ein konzernfremder Manager an der Spitze des Ruhrgiganten.

Beobachter sehen in der Bestellung des studierten Elektrotechnikers ein Signal für eine deutliche Stärkung des Industriegeschäfts bei ThyssenKrupp. Im Rennen um die Konzernspitze hatte sich Hiesinger im Frühjahr überraschend gegen eine ganze Riege von konzerninternen Kandidaten durchgesetzt. Eingefädelt hatte die Personalie ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der auch an der Spitze des Siemens-Kontrollgremiums steht.

Als "Mann des Stahls" hat der scheidende Konzernchef Schulz das Bild des 1999 aus der Fusion von Thyssen und Krupp entstandenen Unternehmens mehr als ein Jahrzehnt lang geprägt. Als ehemaliger Thyssen-Manager hatte Schulz zunächst zusammen mit Ex-Krupp-Chef Cromme die Führung des neuen Konzerns in einer Doppelspitze übernommen. Nach dem Wechsel von Cromme an die Spitze des Aufsichtsrats wurde Schulz vor neun Jahren alleiniger Vorstandschef.

Auch wenn der Stahl beim Branchenprimus meist im Vordergrund steht, spielt die Industriesparte bereits heute eine wichtige Rolle. Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2008/2009 (30.9.) wurden bereits fast zwei Drittel des Konzernumsatzes von rund 40 Milliarden Euro in den Geschäftsfeldern außerhalb des Stahls erwirtschaftet.

Unter dem blau-weißen Logo von ThyssenKrupp werden Chemie-, Raffinerie- und andere Industrieanlagen geplant und gebaut. Stolz des Geschäftsfelds Aufzüge sind hochmoderne Anlagen mit zwei in einem einzigen Schacht unabhängig voneinander fahrenden Kabinen. Daneben ist der Konzern als Produzent von Autoteilen ebenso aktiv wie im Schiffbau.

Von den 187.000 ThyssenKrupp-Beschäftigten zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres ist deutlich mehr als jeder zweite im Ausland beschäftigt. Bereits unter der Regie von Schulz hat das Unternehmen angekündigt, sich verstärkt auf zukunftsträchtige Technologiefelder wie etwa Energie, Umwelt oder Mobilität konzentrieren zu wollen.

Mit einer Stärkung des Industriegeschäfts könnte der Essener Konzern auch die Abhängigkeit von dem stark schwankenden Stahlgeschäft verringern. Immer wieder hatte es Einbrüche beim Stahl gegeben. In guten Jahren sorgt die Traditionssparte aber auch für satte Gewinne.

Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2008/2009 trugen die beiden Geschäftsbereiche Stahl und Edelstahl mit einem Vorsteuerverlust von zusammen rund 1,4 Milliarden Euro kräftig dazu bei, den Konzern in der Wirtschaftskrise tief in die roten Zahlen zu drücken. Noch im Jahr zuvor hatten die beiden Stahlbereiche mit einem Ergebnis von zusammen knapp 1,7 Milliarden Euro deutliche Gewinne eingefahren.

Noch hat sich der künftige Konzernchef nicht in der Karten schauen lassen. Aber schon jetzt ist klar, dass er ein Unternehmen in guter Verfassung übernehmen wird. Der Stahl boomt wieder und Schulz hat nach neun Monaten für das Gesamtjahr 2009/2010 wieder eine deutliche Rückkehr in die schwarzen Zahlen angekündigt.

Bei seinem bisherigen Arbeitgeber hatte sich Hiesinger auch als Mann für unpopuläre Entscheidungen einen Namen gemacht. Zuletzt hatte der Manager mit dem stets freundlichen Lächeln und der zurückhaltenden Art im Januar den Abbau von rund 2.000 Arbeitsplätzen im Siemens-Industriegeschäft in Deutschland durchgesetzt. Auch bei ThyssenKrupp ist der Konzernumbau längst nicht abgeschlossen.

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