Phosphor-Recycling aus Abwasser

Lippeverband übernimmt Federführung bei Pilotprojekt

30.06.2017 - Deutschland

Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser steht im Mittelpunkt des INTERREG-Projekts „Phos4You“, bei dem der Lippeverband zusammen mit elf Partnern aus sieben europäischen Ländern Verfahren erprobt, um den Bedarf an diesem wichtigen Rohstoff so weit wie möglich ohne Importe zu decken.

Hans Blossey

Luftbild: Faultürme des Klärwerks Emschermündung in Dinslaken

Zu dem chemischen Element Phosphor haben die meisten Menschen eher negative Assoziationen: Im 2. Weltkrieg zerstörten Phosphor-Brandbomben viele Städte. Phosphorverbindungen im Wasser waren eine der Hauptursachen dafür, dass es bis in die 1980er Jahre immer wieder Fischsterben in Gewässern gab, wenn diese durch Sauerstoffzehrung infolge starken Pflanzenwachstums „umkippten“. Aber: Phosphor ist als Baustein der DNA unverzichtbar für alles Leben - keine Pflanze kann ohne Phosphor wachsen, kein Mensch und kein Tier kann ohne Phosphor leben.

Aus eben diesem Grund ist Phosphor ein wichtiger Bestandteil von Düngemitteln. Daneben ist er in zahlreichen Nahrungsmitteln enthalten. Auf der anderen Seite existieren so gut wie keine Reserven an Phosphor-Erzen in Europa und 2015 hat die EU ihren Bedarf an Phosphatgestein zu beinahe 100 Prozent importiert. Einen Kreislauf von Phosphor zwischen Nahrungskette, Wasserwirtschaft und Landwirtschaft gab es so lange, wie Klärschlämme aus der Abwasserreinigung als Dünger eingesetzt wurden. Denn nach Einsatz als Düngemittel geht Phosphor über die Nahrung ins Abwasser über.

Doch mittlerweile wird nicht nur in Deutschland die Düngung mit Klärschlamm wegen des damit verbundenen Eintrags von Schadstoffen immer mehr eingeschränkt, so dass der darin enthaltene Phosphor für die Landwirtschaft und die Ernährung verlorengeht.

Die Europäische Union erkannte das Problem und nahm 2014 Phosphatgestein in die Liste der kritischen Rohstoffe auf. Denn auch wenn die weltweiten Reserven schätzungsweise noch für 300 Jahre reichen – ist der Abbau auch heute schon problematisch: Neben der Umweltzerstörung durch riesige Tagebaue und Halden gibt es gesundheitliche Bedenken wegen des enthaltenen Cadmiums und Urans. Und: Die Staaten der Europäischen Union sind komplett abhängig von Importen aus teilweise geopolitisch instabilen Ländern.

Großes Potenzial für Rückgewinnung

Dabei ist das Rückgewinnungspotential erheblich: Allein in Nordwesteuropa könnten über die Wasserwirtschaft jährlich 113.000 Tonnen Phosphor durch Recycling gewonnen werden, das sind 26 Prozent des Bedarfs. Bezieht man weitere Sektoren wie z. B. Schlachthöfe ein, könnte eine europäische Kreislaufwirtschaft ihren Phosphorbedarf sogar zu 45 Prozent decken. Die Nutzung von sekundärem Phosphor ist entscheidend für eine zukunftssichere Versorgung der Menschen in der EU.

In Deutschland formuliert die kürzlich novellierte Klärschlammverordnung, die in diesem Jahr in Kraft tritt, daher die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm als gesetzliche Anforderung für Kläranlagen ab einer Kapazität von 50.000 Einwohnerwerten.

An dieser Stelle kommt Phos4You ins Spiel: Bis 2020 will das Projekt Produkte und Verfahren für eine wirtschaftliche Gewinnung und Nutzung von Phosphor aus Klärschlamm entwickeln bzw. erproben. Das Gesamtbudget in Höhe von 10,8 Mio. Euro wird von der EU mit etwa 6,5 Mio. Euro aus dem Programm INTERREG V B Nordwesteuropa gefördert.

Phos4You soll demonstrieren, dass die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser machbar ist. Darüber hinaus soll die Düngemittelindustrie in die Lage versetzt werden, den rückgewonnenen Rohstoff auch zu nutzen.

Dazu dienen als wesentliche Projektbausteine der Bau von Demonstrationsanlagen für die Rückgewinnung unter Realbedingungen, die Umsetzung innovativer Rückgewinnungstechnologien für häusliches Abwasser, die Herstellung von neuen Düngemittel-Produkten aus Phosphor-Recycling, die Erarbeitung eines EU-weiten Standards zur Qualitätsbewertung von neuen Produkten und schließlich mehr gesellschaftliche Akzeptanz von Düngemitteln aus Abwasser. Dabei spielt die Phosphor-Gewinnung aus Klärschlamm und aus Klärschlamm-Asche die Hauptrolle.

Europäische Projektpartner

Bei der international zusammengesetzten Partnerschaft hat der Lippeverband mit Sitz in Essen die Federführung. Projektpartner sind Kläranlagenbetreiber, Betreiber von Verbrennungsanlagen für Klärschlamm, Entwickler von Rückgewinnungsprozessen, Universitäten und Forschungsinstitute. Dies sind im Einzelnen:

  •  NV HVC – SNB (Niederlande)
  • Veolia Environnement (Frankreich)
  • IRSTEA Institut national de Recherche en Sciences et Technologies pour l´Environnement et l´Agriculture, (Frankreich)
  • Université de Liège (Belgien)
  • Universiteit Gent (Belgien)
  • Fachhochschule Nordwestschweiz
  • Cork Institute of Technology - Water Systems and Services Innovation Centre (Irland)
  • Environmental Research Institute, University of the Highlands and Islands (Schottland)
  • Glasgow Caledonian University (Schottland)
  • Scottish Water (Schottland)
  • sowie die Emschergenossenschaft als Schwesterunternehmen des Lippeverbandes (Deutschland)

Rolle von Lippeverband / Emschergenossenschaft

Für die beiden Wasserwirtschaftsverbände aus NRW ist die Entwicklung einer langfristigen, an Recyclingzielen orientierten Klärschlammentsorgungsstrategie gefordert. Im Pilotprojekt untersucht der Lippeverband die Frage, wie sich die aus eigenen Kläranlagen gewonnene Klärschlamm-Asche nach entsprechender Behandlung im industriellen Maßstab bei der Produktion von Dünger nutzen lässt. Das Pilotprojekt der Emschergenossenschaft beinhaltet die Herstellung einer speziellen Asche, die nach einer zweistufigen Verbrennung direkt als Dünger verwertbar ist. Diese Asche soll in einer Pilotanlage auf dem beim Klärwerk Emschermündung in Dinslaken angesiedelten „Technikum“ der Emschergenossenschaft produziert werden.

Offizieller Auftakt des Projekts wird eine dreitägige Konferenz vom 18. bis 20. Oktober 2017 in Basel sein, die der Lippeverband gemeinsam mit der europäischen Phosphorplattform ESPP, der deutschen Phosphorplattform DPP, der Fachhochschule Nordwestschweiz und BaselArea.swiss ausrichtet.

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