Max-Planck-Gesellschaft muss zu einschneidenden Strukturmaßnahmen greifen
Nullrunde verschärft strukturelles Finanzdefizit / Mittelfristig Schließung von mindestens 20 Institutsabteilungen angekündigt
Am 20. November hatte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, den versammelten Präsidenten der deutschen Wissenschaftsorganisationen eröffnet, dass die Bundesregierung ihre für die Forschungseinrichtungen bereits verbindlich zugesagten Haushaltszuwächse für 2003 komplett streichen wolle. Diese Ankündigung steht im Widerspruch zu einem Beschluss vom 17. Juni diesen Jahres: Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung hatte damals für das Haushaltsjahr 2003 der Max-Planck-Gesellschaft einstimmig eine Steigerungsrate von drei Prozent beschlossen.
Die von der Bundesregierung jetzt vorgesehene Nullrunde würde für die Max-Planck-Gesellschaft einen Einnahmeausfall von 28 Millionen Euro bedeuten. Gegenüber dem tatsächlichen Finanzbedarf für 2003 fehlen der Forschungsorganisation bereits mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr. Die Max-Planck-Gesellschaft befindet sich deshalb nach den Worten ihres Präsidenten Peter Gruss in einem "strukturellen Finanzdefizit", nachdem die Zuschüsse des Bundes und der Länder während der vergangenen Jahre ebenfalls stets signifikant unter dem tatsächlichen Finanzbedarf gelegen hatten. Auch für die kommenden Jahre befürchtet der Präsident, dass die Einnahmen weiterhin unter dem Bedarf liegen werden und sich damit die defizitäre Lage weiter verschärfen wird. Eingriffe in die Strukturen der Max-Planck-Gesellschaft mit ihren 80 Instituten sind daher unvermeidbar. "Kurzfristige Maßnahmen zum Ausgleich des Haushalts 2003 werden nicht ausreichen. Die zu erwartenden Einnahmeausfälle und die fehlende finanzielle Planungssicherheit zwingen uns zu strukturellen Einschnitten", erklärte Gruss. Daher wird mittelfristig die Schließung von mehr als 20 Institutsabteilungen - und damit möglicherweise auch von ganzen Max-Planck-Instituten - geplant.
Über das weitere Vorgehen und über mögliche Einzelmaßnahmen wird nun in der Max-Planck-Gesellschaft intensiv beraten. Dabei geht es um die Fortführung der bereits mit Bund und Ländern beschlossenen "Neuen Programme" der Max-Planck-Gesellschaft. Hierzu zählen Kooperationsprojekte mit den Universitäten zur Nachwuchsförderung ("International Max Planck Research Schools"), zur Stärkung der Klinischen Forschung (Tandem-Projekte), um "Max-Planck-Forschungsgruppen an Universitäten" oder um "Institutsübergreifende Forschungsinitiativen".
Vom Ergebnis der Beratungen wird auch abhängen, inwieweit neue Forschungsgebiete in die bestehenden Strukturen aufgenommen werden können, etwa indem die Max-Planck-Gesellschaft Institute bedarfsgerecht um zusätzliche Abteilungen erweitert oder neue Institute gründet. So plant die Forschungsorganisation die Einrichtung eines weiteren Instituts auf dem Gebiet der Informatik, das als "Max-Planck-Institut für Softwaresysteme" nach Überzeugung führender Wissenschaftler eine wichtige Bereicherung der nationalen wie internationalen Forschungslandschaft darstellen könnte. Das Gleiche gilt für ein mögliches "Max-Planck-Institut für Gerontologie": Es soll die drängenden Fragen, die eine alternde Gesellschaft an die Zukunft der medizinischen Forschung, aber auch an die Sozial- und Rentensysteme stellt, interdisziplinär angehen. Ob und wann aus diesen Gründungsüberlegungen Abteilungen oder Institute erwachsen, kann aufgrund der Finanzlage derzeit nicht beantwortet werden.
Der Konsolidierungskurs trifft die Max-Planck-Gesellschaft zu einer Zeit, in der der verschärfte internationale Wettbewerb um die besten Forscherinnen und Forscher deutlich mehr Investitionen als früher verlangt. Während der deutschen Forschung Nullrunden drohen, wachsen die führenden ausländischen Wissenschaftsorganisationen weiterhin mit teilweise zweistelligen Raten pro Jahr. 2002 erhielten die US-amerikanischen National Institutes of Health einen Haushaltszuwachs von 15 Prozent; der US-amerikanischen National Science Foundation wurde sogar die Verdoppelung ihres Budgets in den kommenden fünf Jahren zugesagt. Doch selbst viele europäische Staaten haben angekündigt, ihre Forschungsausgaben deutlich zu erhöhen. "Dieser internationale Wettbewerb um die besten Forscherinnen und Forscher verteuert jede neue Berufung und verlangt eine ständig verbesserte Ausstattung der Institute", erläuterte Dr. Barbara Bludau. Die Generalsekretärin der Max-Planck-Gesellschaft hat vorgerechnet, dass bei der Wiederbesetzung der Stelle eines Abteilungsdirektors nach dessen Emeritierung im Schnitt 30 bis 50 Prozent mehr Mittel für die Nachfolgeberufung aufgewendet werden müssen, damit der Neuberufene eine den internationalen Standards entsprechende Ausstattung erhält.
Diese Schere zwischen wachsenden Kosten und sinkenden Einnahmen bedroht die Wettbewerbsfähigkeit der Max-Planck-Gesellschaft als international ausgewiesene Spitzenorganisation der deutschen Grundlagenforschung. Daher appelliert Gruss an Bund und Länder, der Max-Planck-Gesellschaft die erforderliche finanzielle Planungssicherheit zu gewähren, denn: "Ohne eine starke öffentlich geförderte Grundlagenforschung werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern können", unterstrich Gruss. Das Beispiel USA zeigt, welche zentrale Rolle die Grundlagenforschung für die Wirtschaft spielt. Dort gehen rund drei Viertel aller in den Patenten zitierten Publikationen auf Forscherinnen und Forscher der führender Universitäten und weiterer Wissenschaftsorganisationen zurück, deren Arbeiten aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden.