Aufnahme von Weichmachern möglicherweise deutlich höher als vermutet
DEHP gehört zur Gruppe der Phthalate. Seine akute Giftigkeit ist gering; die Substanz ist nicht als erbgutschädigend eingestuft. Dosisabhängig kann DEHP aber schädliche Wirkungen auf Hoden, Niere und Leber haben. So beeinträchtigt die Substanz im Tierversuch die Fortpflanzungsfähigkeit und führt zu Entwicklungsstörungen an den Geschlechtsorganen männlicher Nachkommen. DEHP wird bei der Herstellung einer Vielzahl von Kunststoffprodukten, vor allem PVC-Materialien, eingesetzt. Die Substanz findet sich zum Beispiel in Automobilteilen (Verkleidungen, Armaturen), Bekleidung, Spielzeug, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika und Medizinprodukten (Dialyseschläuche). Aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften kann sich DEHP beim Kontakt mit Flüssigkeiten oder Fetten aus Kunststoffen lösen bzw. ausgasen und damit direkt an den Verbraucher gelangen oder in die Innenraumluft übergehen. Die über Atemluft, Haut und Blut durchschnittlich täglich aufgenommene Menge an DEHP beziffert der europäische Altstoffbericht mit 12 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag (µg/kg KG/Tag). Dieser Wert liegt deutlich unter der vom Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss der EU festgelegten tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge von 50 µg/kg KG/Tag, bei der keine Gesundheitsschäden zu erwarten sind. Bei der Bewertung der Verbraucherexposition für den Altstoffbericht blieb der Lebensmittelpfad allerdings unberücksichtigt.
Darauf, dass dies zu einer nennenswerten Unterschätzung der tatsächlichen Aufnahmemenge geführt haben könnte, deuten nun Studienergebnisse der Universität Erlangen hin. Dort wurden Urinproben von 85 Teilnehmern auf die Gehalte an DEHP-Abbauprodukten untersucht und daraus eine Aufnahmemenge errechnet, die für einen Teil der Probanden deutlich über der des Altstoff-Berichts liegt. Bei fünf Prozent der Teilnehmer betrug sie über 52,1 µg/kg KG/Tag. Als Quelle vermuten die Autoren der Studie Lebensmittel, die mit DEHP belastet sind. Weil DEHP zu 50 - 70 Prozent im Magen-Darm-Trakt resorbiert wird, könnte dieser Belastungspfad erheblich zur DEHP-Aufnahme beitragen. Das Institut hält es für erforderlich, die wichtigsten Quellen der Belastung zu identifizieren und die Exposition zu verringern.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat das Europäische Chemikalienbüro auf die Ergebnisse der Studie hingewiesen und um Revision der laufenden Risikobewertung gebeten. Da DEHP nicht nur der Weichmacher mit dem größten Produktionsvolumen, sondern möglicherweise auch der mit der stärksten fortpflanzungsschädigenden Wirkung ist, könnten sich daraus eine neue Einschätzung des Risikos und damit die Notwendigkeit für Minimierungsmaßnahmen ergeben. Nationale Anwendungsbeschränkungen für DEHP im Lebensmittelbereich existieren derzeit nur im Rahmen der Kunststoffempfehlungen des BfR. Das Institut hat außerdem empfohlen, Phthalate nicht in Kinderspielzeug zu verwenden.
Meistgelesene News
Themen
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Chemie-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für die chemische Industrie, Analytik, Labor und Prozess bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.