Chemiebaukästen für große Forscher

Ein vielseitiger Baukasten macht Mikroreaktionssysteme leichter handhabbar

05.09.2003

Das Schönste am Chemieunterricht in der Schule waren doch die Experimente, bei denen es stank, qualmte und knallte. Wenn dem Lehrer seine Reaktionen durchgingen, amüsierten sich die Schüler. Überhaupt nicht komisch sind jedoch Chemieunfälle im großen Maßstab. Ein Reaktor mit Tonnen von Chemikalien wird zur echten Gefahr. In der Mikroreaktionstechnik hingegen spielen sich die gleichen Prozesse in Volumina von wenigen Millilitern ab - entsprechend geringer ist das Risiko. "Reaktionen mit stark toxischen Verbindungen oder großer Wärmeentwicklung lassen sich in diesem Maßstab viel besser kontrollieren", erklärt Dr. Stefan Löbbecke, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Modulare Mikroreaktionssysteme FAMOS. "Da das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen bei kleinen Reaktoren günstiger ist als bei großen, können gewünschte Reaktionsbedingungen thermisch wie stofflich genauer gesteuert und eingehalten werden. Auf diese Weise entstehen Produkte mit höherer Ausbeute und Reinheit."

Sechs Institute aus den Bereichen Werkstoffe, Bearbeitungsverfahren, Computersimulation und Chemie beteiligen sich an FAMOS. Für die Forscher stehen Flexibilität und Modularität des von ihnen entwickelten Baukastens im Vordergrund. Passend zur sechseckigen Grundplatte existieren verschiedene Module, die Gase oder Flüssigkeiten in hauchdünnen Kanälen zusammenführen. Je nach Anwendung werden sie aus Metall, Kunststoff, Keramik oder Silizium gefertigt. "Unsere Keramikmodule eignen sich besonders für Prozesse, die eine hohe chemische Beständigkeit und Temperaturfestigkeit voraussetzen", erklärt Dr. Reinhard Lenk vom Fraunhofer-Verbund Hochleistungskeramik. "Zudem können sie beispielsweise mit verschiedenen Katalysatoren beschichtet werden. Für eine Testreihe müssen dann lediglich diese Inlays ausgetauscht werden." Je nach Reaktionstyp lassen sich die Module einfach beheizen oder kühlen. Zusätzlich enthält der Baukasten Software, mit der die Prozesse in den Mikroreaktoren simuliert und analysiert werden könnnen. "Neben der industriellen Produktion im Mikrobereich soll sich das System als selbstverständliche Laborausstattung an Universitäten und in der Industrie etablieren", nennt Stefan Löbbecke als Ziel.

Ihr Mikroreaktionssystem zeigen die Forscher mehrmals: in München auf der MATERIALICA vom 16. bis 18. September (Halle B5, Stand 217) und auf der ceramitec vom 16. bis 20. September (Halle A1, Stand 438). Außerdem in Lausanne anlässlich der 7th International Conference on Microreaction Technology IMRET vom 7. bis 10. September.

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