GDCh-Präsident gegen zu viel staatliche Kontrolle an Hochschulen

09.03.2004

Gegen zunehmende staatliche Einmischung an den Hochschulen hat sich der Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Professor Dr. Henning Hopf, zur Eröffnung der Chemiedozententagung am 8. März in Dortmund ausgesprochen. "Lasst uns endlich in Ruhe unsere Forschungsarbeit und Lehraufgaben erledigen", forderte er vor 400 Teilnehmern. Die staatliche Kontrolle, das staatliche Misstrauen müsse reduziert werden. Sie sei eines demokratischen Landes unwürdig.

Begriffe wie Leistung, Konkurrenz, Auszeichnung und Elite seien keine Fremdwörter in der deutschen Hochschullandschaft. Das gelte nachdrücklich für die Chemie. "Wir unterliegen bereits einem vielfältigen Kontroll- und Leistungssystem, das wir auch ausdrücklich wollen; denn wir sind für Elitebildung und Wissenschaft auf höchstem internationalen Niveau. Wir werden täglich evaluiert. Wenn wir versuchen, unsere Ergebnisse in einer führenden Fachzeitschrift zu publizieren, stellen wir uns weltweiter Konkurrenz. Wenn wir bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder einem anderen Drittmittelgeber einen Förderungsantrag stellen, unterwerfen wir uns dem Votum der Gutachter. Durch Einladungen zu Tagungen und Kolloquien, Auszeichnungen und Preise nehmen wir an einem Evaluierungssystem teil. Bei schlechten Vorlesungen oder mangelnder Mitarbeiterbetreuung können wir keine guten Mitarbeiter mehr gewinnen", sagte Hopf. Diesem Leistungs- und Qualifizierungssystem müssten sich alle Wissenschaftler unterwerfen. Eine zusätzliche staatliche Gängelei sei überflüssig.

Eine Universität hat zwei Aufgaben zu erfüllen: Forschung und Lehre, beides auf möglichst hohem Niveau. Das sei nicht immer vorhanden. Es könne aber nur entstehen, wenn man auf Dauer kreative junge Menschen verlässlich fördere und sie in sich ständig modernisierenden Institutionen arbeiten ließe, so Hopf. "Das kostet viel Geld, ist aber Voraussetzung für einen hohen Lebensstandard." Die GDCh hat sich wiederholt für eine deutlich größere Autonomie der Hochschulen ausgesprochen. Dazu gehört das Recht der Hochschulen, ihre Studenten selbst auszusuchen, ebenso wie die Möglichkeit, Differenzierung durch Studiengebühren zu ermöglichen.

Hopf erinnerte an die vier großen Gs des Wissenschaftlers Paul Ehrlich*, die zu Innovationen führen: Geld, Geduld, Geschick und Glück. Damit sich Geduld und Geschick entfalten könnten, brauche man Zeit und Muße. Dies werde dem Hochschullehrer und dem wissenschaftlichen Nachwuchs in zunehmendem Maße genommen. Die Autonomie eines Forschers und Lehrers werde zur Zeit immer kleiner. "Die Erstellung eines Strukturplans nach dem anderen, die Zielvereinbarungen - auch für die Forschung, die nur sehr bedingt planbar ist - die permanenten Evaluationen, die zu irgendwelchen Rankinglisten führen, kosten alle viel Zeit, binden Personal und Mittel, bleiben aber praktisch folgenlos", sagte Hopf. Die Hochschule lasse sich nicht organisieren wie eine Schrauben- oder Automobilfabrik.

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