Edles Metall im Enzymhandschuh

Vielversprechender Fortschritt im Bereich der Katalyse

09.03.2004
Ein neuartiger chemischer Katalysator, der die Eigenschaften zweier Arten von Katalysatoren - natürliche Enzyme und synthetische Katalysatoren - vereint: Diese Premiere gelang dem Chemieprofessor Thomas Ward und seiner Gruppe an der Universität Neuenburg mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds und des Nationalen Forschungsprogramms «Supramolekulare funktionale Materialien» (NFP 47). Für die Ergebnisse und das angemeldete Patent interessiert sich nun die chemische und pharmazeutische Industrie. Obwohl sie keine Baseball-Fans sind, inspiriert ein Baseball-Handschuh eine Chemikergruppe der Universität Neuenburg bei der Beschreibung ihrer Entdeckung im Bereich der Katalyse. Die Bedeutung der Katalyse ist in der Chemie, Pharmazie oder Physiologie schon lange bekannt, und es gibt weltweit unzählige Forschungsarbeiten zu diesem Thema. Doch vor kurzem gelang der Gruppe des Chemieprofessors Thomas Ward mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds und des Nationalen Forschungsprogramms «Supramolekulare funktionale Materialien» (NFP 47)* die Entwicklung eines neuartigen Katalysators. Er vereinigt nämlich die Eigenschaften zweier bestehender Arten von Katalysatoren: natürliche Katalysatoren (Enzyme) und synthetische Katalysatoren. Diese Entdeckung könnte für die chemische und pharmazeutische Industrie von grossem Interesse sein. Bereits in der Antike wusste man die Wirkung der Katalyse zu nutzen. Als Katalyse bezeichnet man die Beschleunigung einer chemischen Reaktion durch die blosse Anwesenheit einer Substanz, die während dieses Vorgangs unverändert bleibt. Mit anderen Worten: Diese Substanz, der so genannte Katalysator, wirkt wie ein molekularer Blasebalg, der das Feuer der chemischen Reaktion schürt. Das bekannteste Beispiel für eine Katalyse ist der Abgaskatalysator bei den Autos, bei dem spezifische Bestandteile (Edelmetalle) die Umwandlung der toxischen Abgase beschleunigt. Es gibt zwei Arten von Katalysatoren: Enzyme und synthetische Katalysatoren. Die Enzyme sind Eiweisse, die von sämtlichen Organismen hergestellt werden. So kann der Körper die Ascorbinsäure (bekannt als Vitamin C) aus Früchten oder Gemüsen mit Hilfe eines Enzyms rasch umwandeln und aufnehmen. Ein weiteres Beispiel: Ohne das Enzym Alkoholdehydrogenase würde der Abbau von Alkohol mehrere Tage brauchen und seine Wirkung entsprechend lange anhalten... Enzyme vervielfachen die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion in der Regel um einen Faktor von rund einer Million! Diese Moleküle haben deshalb eine sehr wichtige Funktion und sind für die pharmazeutischen Forschung von grosser Bedeutung. Die Entwicklung ebenso wirksamer künstlicher Katalysatoren wäre für die synthetische Chemie von unschätzbarem Wert. Der Vorteil der Enzyme ist insbesondere ihre ausgeprägte Selektivität. Ein Enzym kann nur eine ganz bestimmte chemische Reaktion beschleunigen. Zudem sind sowohl die Enzyme als auch oft die Endprodukte so genannte chirale Moleküle, d.h. Moleküle, deren Bild und Spiegelbild, wie im Falle der menschlichen Hand, nicht deckungsgleich sind. Damit jedoch tatsächlich chirale Endprodukte entstehen, ist es wichtig, dass sich der Katalysator in derselben Phase (fest, flüssig oder gasförmig) wie die Reaktionskomponenten befindet. Man spricht dabei von einem homogenen Katalysator (im Gegensatz zu einem heterogenen Katalysator, der sich in einer anderen Phase befindet). Chirale Moleküle werden wegen ihrer Selektivität in der Pharmazie sehr geschätzt. Ein Enzym kann zudem im Verband mit einem Coenzym wirken (Coenzyme sind kleine Kohlenstoffverbindungen, die ein Enzym ergänzen). Diese Coenzyme enthalten manchmal ein Metall. Häufig handelt es sich dabei um Eisen oder Kupfer. Edelmetalle wie Gold, Rhodium, Iridium oder Palladium hingegen können die Reaktionen stärker beschleunigen, kommen aber in der Natur viel seltener vor als Eisen oder Kupfer. Solche Edelmetalle werden deshalb von Chemikern im Labor als synthetische Katalysatoren verwendet. Zum Patent angemeldet Die Idee, einen hybriden Katalysator herzustellen, der die Selektivität der natürlichen Enzyme mit der Aktivität der synthetischen Katalysatoren verbindet, ist keineswegs neu. Lange blieb sie aber reine Theorie. «Nun ist es uns gelungen, diese Idee umzusetzen!», freut sich Thomas Ward. Das Ergebnis lässt sich mit einem Baseball-Handschuh veranschaulichen. «Der Handschuh stellt das Enzym dar. In Analogie zur menschlichen Hand drängt dieser Handschuh der chemischen Reaktion ein chirales Umfeld auf, das diese Eigenschaft der Chiralität auf das Molekül des Endprodukts überträgt. Es kann sozusagen im rechten Handschuh nur eine rechte Hand produziert werden. Und vom Handschuh eingeschlossen ist der Ball, das Molekül des synthetischen Katalysators. Das Produkt ist ein künstliches Metalloenzym, dass sehr aktiv und sehr selektiv ist», erklärt der Forscher, der seine Resultate in verschiedenen Fachzeitschriften publiziert und seine Entwicklung zum Patent angemeldet hat. Gemäss Thomas Ward erweitert sich dank solcher Metalloenzyme das Anwendungsgebiet von Enzymen substanziell. «Es wäre zum Beispiel denkbar, dass sie längerfristig zur selektiven Zerstörung unerwünschter Moleküle in einem Organismus eingesetzt werden könnten. Die genaue Erkennung eines fremden Ziels, beispielsweise eines Virus, einer Krebszelle oder von DNA, wäre dabei die Aufgabe des Enzyms, während der Hemmprozess selbst, der zur Zerstörung des Ziels führt, durch die sehr aktiven, in diesem Protein eingeschlossenen Moleküle gefördert würde.» «Grundsätzlich ist das Interesse der chemischen Industrie gross», erklärt der Chemiker, schränkt aber ein, dass es sich noch um Grundlagenforschung handle. «Die Industrie verhält sich vorerst abwartend, gilt es doch noch einige technische Hürden zu überwinden. Die Industrie will aber «gebrauchsfertige Methoden» und rät uns, in zehn Jahren nochmals vorbeizuschauen», bedauert der Forscher.

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