Mitte vierzig, Kofferträger, Habilitand - auch in der Chemie?

01.08.2001

Als Argumente gegen die Habilitation werden häufig die fehlende wissenschaftliche Unabhängigkeit und das zu hohe Abschlußalter des Hochschullehrernachwuchses in der Chemie vorgebracht. Eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft Deutscher Chemiker unter Habilitanden korrigiert nun dieses Bild.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) hat auf Anregung der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsprofessoren für Chemie in der GDCh (ADUC) eine Umfrage unter rund 300 Habilitanden und kürzlich Habilitierten aus der Chemie an deutschen Hochschulen durchgeführt, die zum ersten Mal verläßliche und repräsentative Daten über die Habilitation in der Chemie liefern. Demnach dauert die Habilitation im Mittel etwas über 5 Jahre. Bei Abschluß ihrer Habilitation sind die angehenden Hochschullehrer 36.6 Jahre alt, deutlich jünger als die häufig in der Öffentlichkeit portraitierten Mittvierziger.

Fast alle Habilitanden leiten zu Ende ihre Habilitationszeit eine eigene Arbeitsgruppe (von im Durchschnitt 3 Mitarbeitern), berichten eigenverantwortlich über ihre Forschungsergebnisse in der wissenschaftlichen Literatur bzw. auf Tagungen und werben selbständig Drittmittel ein. Die überwiegende Mehrheit (69%) beurteilt ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit denn auch als sehr gut, während lediglich 6% diese als schlecht einschätzten. Der vielzitierte Vorwurf der "Ausbeutung" der Habilitanden durch die betreuenden Professoren wird demnach zumindest in der Chemie durch die meisten Betroffenen nicht bestätigt.

Bezüglich der zukünftigen Zugänge zu einer Hochschulkarriere sind sich die Habilitanden in der Chemie interessanterweise uneins. Etwa je ein Drittel der Befragten möchte die klassische Habilitation beibehalten, diese abschaffen und durch die Juniorprofessur ersetzen oder aber beide Verfahren nebeneinander ermöglichen. Ein von den Habilitanden immer wieder genanntes und als gravierend eingeschätztes Problem ist die Unsicherheit in der Karriereentwicklung und der sozialen Absicherung in einem Lebensabschnitt, in dem viele eine Familie zu versorgen haben. Die meisten Befragten mußten bereits ihre Habilitation durch ver-schiedene, zeitlich befristete Stellen (Stipendien, DFG-Förderung, Landesstellen, u.a.) finanzieren. Eine dauerhafte soziale Absicherung wird jedoch erst nach erfolgreich abgeschlossener Habilitation und durch einen Ruf auf eine Professur gewährleistet, der aber nicht garantiert ist. Gerade dieses letzte Problem wird durch das z.Zt. diskutierte Modell der Juniorprofessur jedoch nicht grundlegend entschärft.

Insgesamt bestätigt diese erste Umfrage für das Fach Chemie das, was Kenner der Situation schon lange wissen: die Fächer haben unterschiedliche "Habilitationskulturen". Die Chemie hat ein gut funktionierendes Selbstrekrutierungssystem für ihre Professoren, für das die pauschal vorgetragenen Argumente gegen die klassische Habilitation nur bedingt zutreffen. Selbstverständlich ist auch in der Chemie die Habilitation verbesserungsfähig, ihre zwingend notwendige Abschaffung kann aus den Ergebnissen der GDCh-Umfrage jedoch nicht abgeleitet werden. Juniorprofessuren, wie auch die bereits heute existierenden alternativen Zu-gangsmöglichkeiten zum Beruf des Hochschullehrers, können eine sinnvolle Ergänzung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sein. Allerdings setzt dies eine solide Finanzierung voraus (zusätzliche Planmittel und Bereitstellung neuer Dauerpositionen); "kostenneutrale" Juniorprofessuren werden zur Sicherung und Weiterentwicklung des "Chemie-Wissenschaftsstandorts Deutschland" nicht beitragen.

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