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Irinotecan



Steckbrief Irinotecan
Strukturformel
Allgemeine Informationen
Name Irinotecan
Bezeichnung (IUPAC) (S)-4,11-diethyl-3,4,12,14-tetrahydro-4-hydroxy-
3,14-dioxo-1H-pyrano[3’,4’:6,7]-indolizino[1,2-b]
quinolin-9-yl-[1,4’-bipiperidin]-1’-
carboxylat,monohydrochlorid,trihydrat
Andere Namen CPT-11
Handelsname(n) Camptosar®  (USA), Campto® (Deutschland)
Hersteller Pfizer
Summenformel C33H38N4O6HCl•3H2O
CAS-Nummer 97682-44-5
Klassifikation
ATC-Code L01XX19
Rote Liste (2006) ---
Hauptgruppe Zytostatikum
1. Untergruppe Topoisomerase-Hemmer
2. Untergruppe Topoisomerase I-Hemmer
3. Untergruppe Camptothecin-Derivate
Verfügbarkeit
Darreichungsform Ampullen bzw. Injektionslösungsflaschen
Verabreichungsart intravenös (i.v.)
Chemische Eigenschaften
Molmasse 677,19 g/mol
Aggregatzustand leicht gelbes bis gelbes Pulver
Schmelzpunkt 222–223 °C
Löslichkeit wenig löslich in Wasser und organischen Lösungsmitteln
Sicherheitshinweise
Zulassungsstatus
Deutschland
Zulassungsdatum 6. August 1998
Zulassungsnummer 43289.00.00; 43290.00.00
Zulassungsstatus Rezeptpflichtig. Apothekenpflichtig.

Irinotecan (Handelsname Campto®, Camptosar®; Hersteller Pfizer) ist ein Arzneimittel, das in der Humanmedizin als Zytostatikum („Chemotherapie“) zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt wird. Irinotecan gehört zu der Zytostatika-Gruppe der Topoisomerase-Hemmer und ist ein semi-synthetisches Derivat des Alkaloids Camptothecin, welches aus der Pflanze Camptotheca acuminata gewonnen wird.

Inhaltsverzeichnis

Wirkungsmechanismus

Irinotecan ist in der Lage, einen „programmierter Zelltod“ (Apoptose) herbeizuführen. Es hemmt die DNA-Topoisomerase I, deren physiologische Funktion darin besteht, Scherungsstress des DNA-Doppelstrangs zu mindern. Irinotecan und sein aktiver Metabolit SN-38 lagern sich dem Komplex aus DNA-Topoisomerase I und DNA an und verhindern den Wiederverschluss des zuvor erfolgten DNA-Einzelstrangbruchs. Nach gegenwärtigem Wissensstand verursacht die Replikation von DNA durch die entsprechenden Enzyme wie DNA-Polymerasen bei Kontakt mit dem Komplex aus Irinotecan, DNA und DNA-Topoisomerase I einen Doppelstrangbruch der DNA und somit einen Abbruch der DNA-Replikation. Säugetierzellen besitzen keinen ausreichend wirksamen DNA-Reparaturmechanismus, um solche DNA-Doppelstrangbrüche zu reparieren.

Bemessen am Zellzyklus ist Irinotecan nur in der S-Phase des Zellzyklus (DNA-Synthese) wirksam. Ruhende Zellen (gesunde und krankhafte), welche keine DNA synthetisieren, sich also nicht in der S-Phase des Zellzyklus befinden, werden durch Irinotecan nicht geschädigt.

Verwandte Substanzen mit gleichem Wirkungsmechanismus sind Topotecan und Camptothecin. Etoposid (VP16) und Teniposid (VM26) sind zwar auch Topoisomerase-Hemmer, sie hemmen aber die DNA-Topoisomerase II.

Metabolisierung

Irinotecan ist ein wasserlösliches Prodrug. Es wird vor allem in der Leber durch eine Carboxylesterase vermittelte Spaltung einer Carbamatverbindung in die aktive und lipophile Form SN-38 überführt. SN-38 ist ein ca. 1000-fach stärkerer Hemmstoff der DNA-Topoisomerase I als Irinotecan selbst. Die Halbwertzeit von Irinotecan beträgt 14,2 (Spanne 6–12) Stunden. Die mittlere terminale Eliminationshalbwertszeit von SN-38 beträgt 10–20 Stunden. Irinotecan wird zu 50 % an Plasmaproteine gebunden, SN-38 zu 95 %. Die Zeit zum Erreichen der Spitzenkonzentration von Irinotecan im Plasma beträgt ein bis zwei Stunden.

Die Ausscheidung von Irinotecan erfolgt vorwiegend über eine Glucuronidierung des aktiven Metaboliten SN-38 zu SN-38-Glukuronid, welches um den Faktor 50–100 schwächer wirksam ist als unverändertes SN-38. Trotz Glukuronidierung erfolgt nur eine geringfügige Ausscheidung über den Urin von SN-38 (3 %). 11–20 % des Irinotecans werden unverändert im Urin ausgeschieden. Im Stuhlgang werden 63,7±6,8 % des Irinotecan und SN-38 ausgeschieden.

Sowohl Irinotecan als auch SN-38 liegen in einem pH-abhängigen Gleichgewicht zweier Zustandsformen vor: einer Lacton-Form und einer Hydroxy-Form. Ein sauerer pH bewirkt den verstärkten Übergang der Hydroxy-Form in eine Lacton-Form, ein basischer pH bewirkt das umgekehrte. Nur die Lacton-Form von Irinotecan und SN-38 haben eine Wirksamkeit gegen Zellen und sind somit aktiv. Die Hydroxy-Form hat keine Wirkung und ist somit inaktiv. Welchen Anteil SN-38 an der Anti-Tumor-Wirkung (antineoplastische Wirkung) von Irinotecan hat, ist gegenwärtig noch nicht zuverlässig geklärt.

Wechselwirkungen

Die Wechselwirkungen zwischen Irinotecan und anderen Medikamenten bzw. Lebensmitteln resultieren aus der hepatischen Verstoffwechselung von Irinotecan, vor allem über das Cytochrom CYP3A4. Medikamente, Lebensmittel und andere Substanzen, die ebenfalls über CYP3A4 verstoffwechselt werden, können den Abbau und somit Wirkung und Nebenwirkung von Irinotecan beeinflussen.

Folgende Wechselwirkungen von Irinotecan mit anderen Medikamenten und Lebensmitteln sind gegenwärtig bekannt:

Carbamazepin, Phenobarbital Phenytoin. Die genannten Wirkstoffe senken durch ihren Einfluss auf das Cytochrom P450 System wahrscheinlich die Wirkung und auch die Nebenwirkungen von Irinotecan ab. Dies erfolgt durch Steigerung der Clearance von Irinotecan. Um den Wirkungsverlust von Irinotecan auszugleichen, ist entweder eine Dosiserhöhung von Irinotecan oder ein Absetzen von Carbamazepin, Phenobarbital und Phenytoin erforderlich.

Dexamethason (als dauerhafte Gabe). Dexamethason kann die Wirkungen und Nebenwirkungen von Irinotecan vermindern, in dem es die Clearance von Irinotecan durch multiple Mechanismen steigert. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Irinotecan und Dexamethason ist daher eine Dosiserhöhung des Irinotecans notwendig (oder ein Absetzen des Dexamethason wenn möglich).

Bei einer einmmaligen Gabe von Dexamethason z.B. als Antiemetikum) sind keine Maßnahmen nach aktuellem Wissensstand erforderlich.

Diuretika wie (Furosemid, Torasemid usw.). Der als Nebenwirkung von Irinotecan auftretende Durchfall wird verstärkt. Die daraus resultierend mögliche Dehydratation (Wasserverlust) kann durch die Diuretika verstärkt werden. Als Gegen- und Vorsichtsmaßnahmen ist die Überwachung des Flüssigkeitshaushaltes und ein eventuelles Aussetzen der Diuretika notwendig.

Docetaxel. Es wurde keine Interaktion mit Irinotecan beobachtet.

Etoposid. Bei gleichzeitiger Anwendung von Irinotecan und Etoposid ist eine Lebertoxizität (Leberschädigung) wahrscheinlicher. Der exakte Mechanismus dieser Nebenwirkung ist nicht bekannt. Wenn möglich, sollte eine gemeinsame Gabe der beiden Zytostatika vermeiden werden.

Prochlorperazin. Bei gemeinsamer Anwendung mit Irinotecan tritt die Nebenwirkung der Akathisie (Nicht-Sitzenkönnen) häufiger auf. Zur Vermeidung dieser Problematik sollte am Tag der Irinotecan-Gabe kein Prochlorperazin verabfolgt werden. Die Ursache oder der Mechanismus dieser Wechselwirkung ist nicht bekannt.

Johanniskraut.' Sowohl die Wirkung als auch die Nebenwirkungen von Irinotecan werden durch gleichzeitiges Verabreichen von Johanniskraut abgesenkt. Johanneskraut hemmt die CYP3A4 vermittelte Umwandlung von Irinotecan zu SN-38, so dass niedrigere Plasmaspiegel der wirksamen Substanz SN-38 vorliegen. Ein Gebrauch von Johanniskraut während der Gabe von Irinotecan ist zu vermeiden.

Anwendungsgebiet(e)

Kolonkarzinom (Darmkrebs)

Primärbehandlung (first line)

Irinotecan wird bei der primären Behandlung (first line-Therapie) des metastasierten Kolonkarzinoms (Dickdarmkrebs mit Fernabsiedlungen; Stadium IV nach Dukes) in Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Folinsäure eingesetzt. Die bessere Wirksamkeit der Kombination Irinotecan, 5-FU und Folinsäure gegenüber 5-FU und Folinsäure allein wurde in zwei randomisierten, kontrollierten, multinationalen klinischen Phase III-Studien nachgewiesen.

Sekundärbehandlung (second line)

Irinotecan wird bei der sekundären Behandlung (second line-Therapie) des metastasierten Kolonkarzinoms eingesetzt, welches auf eine primäre Behandlung mit 5-FU und Folinsäure nicht oder nur unzureichend angesprochen hat (Beispiel: Wachstum des Tumors oder der Metastasen unter Therapie mit 5-FU und Folinsäure oder fehlender Rückgang des Tumors oder der Metastasen unter Therapie mit 5-FU und Folinsäure). Der Wirksamkeitsnachweis von Irinotecan beruht auf drei offenen klinischen multizentrischen Studien mit Irinotecan als einziger Substanz getestet gegen 5-FU Infusionen oder beste Supportivtherapie (keine Chemotherapie).

Andere Tumorerkrankungen

Irinotecan wird bei folgenden Tumorerkrankungen ebenfalls eingesetzt (gegenwärtig im Rahmen von klinischen Studien):

  • Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs)
  • Ösophaguskarzinom (Speiseröhrenkrebs)
  • Magenkarzinom (Magenkrebs)
  • Gliom (bösartiger Hirntumor, einschließlich Glioblastom)
  • Lungenkarzinome (Lungenkrebs)
  • Mesotheliom (Rippenfellkrebs)
  • Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)

Nach gegenwärtigem Stand des Wissens ist Irinotecan bei den zuvor genannten Tumorerkrankungen keine Standardtherapie.

Tumorerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

Irinotecan wird bei folgenden Tumorerkrankungen von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt:

  • als Monotherapie (nur Irinotecan): Extrakranielle solide Tumoren wie Ewing-Sarkom, Neuroblastom, Rhabdomyosarkom, PNET, Wilms-Tumor.
  • als Monotherapie (nur Irinotecan): Hirntumoren wie Ependymom, Medulloblastom, malignes Gliom, Glioblastom, PNET.

Nach gegenwärtigem Stand des Wissens ist Irinotecan bei den zuvor genannten Tumorerkrankungen keine Standardtherapie.

Dosierung und Verabreichung

Die hier angegebenen Dosierungen entstammen den Packungsbeilagen von Irinotecan. Abweichend hiervon können im Rahmen klinischer Studien andere Dosierungen verwendet werden. Darüber hinaus sind bei Patienen Modifikationen der Dosierung aufgrund von Nebenwirkungen, Vorerkrankungen oder anderen Gesundheitszuständen möglich. Somit sind die nachfolgenden Angaben Richtwerte bzw. Richtgrößen.

Verabreichung

Irinotecan sollte stets als intravenöse Infusion über 90 Minuten Dauer verabreicht werden. Sofern eine Kombinationsbehandlung mit Folinsäure und 5-FU erfolgt, sollte unmittelbar nach Ende der Irinotecan-Infusion die Verabreichung der Folinsäure erfolgen. Unmittelbar nach dem Ende der Folinsäure-Gabe sollte sich die Infusion mit 5-Fluorouracil (5-FU) anschließen.

Aufgrund des Nebenwirkungsprofils von Irinotecan kann die prophylaktische Gabe von Atropin zur Milderung oder Verhinderung eines cholinergen Syndroms angezeigt sein.

Wegen der Emetogenität (Übelkeitspotential) von Irinotecan empfiehlt sich auch die Gabe eines Antiemetikums wie beispielsweise Ondansetron, Tropisetron und andere 5HT3-Antagonisten.

Dosierung

Regime 1
Substanz (Medikament) Dosis Dosisbezug (pro Einheit) Applikationsart Applikationsdauer Tage der Applikation
Irinotecan 125 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Infusion 90 min 1, 8, 15, 22
Folinsäure 20 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Bolus --- 1, 8, 15, 22
5-Fluorouracil 500 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Bolus --- 1, 8, 15, 22

Ein einzelner Zyklus des Regimes 1 dauert 42 Tage (=6 Wochen). Der zweite Zyklus beginnt am Tag 43. Abweichend von o. g. Dosierungen können infolge von Nebenwirkungen Dosismodifikationen (Absenkung der Dosis) erforderlich werden.

Regime 2
Substanz (Medikament) Dosis Dosisbezug (pro Einheit) Applikationsart Applikationsdauer Tage der Applikation
Irinotecan 180 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Infusion 90 min 1, 15, 29
Folinsäure 200 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Infusion 120 min 1, 2, 15, 16, 29, 30
5-Fluorouracil 400 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Bolus --- 1, 2, 15, 16, 29, 30
5-Fluorouracil 600 mg m2 Körperoberfläche (KOF) i.v. Infusion 22 Stunden 1, 2, 15, 16, 29, 30

Ein einzelner Zyklus des Regimes 2 dauert 42 Tage (=6 Wochen). Der zweite Zyklus beginnt am Tag 43. Abweichend von o. g. Dosierungen können infolge von Nebenwirkungen Dosismodifikationen (Absenkung der Dosis) erforderlich werden.

Gegenanzeigen

Irinotecan sollte bei

  • vorangegangener Bestrahlung im Gebiet von Bauch und Becken (Bestrahlung des Darmes),
  • bestehender oder beabsichtigter Schwangerschaft und
  • bestehendem schweren Leberschaden

nur nach strikter Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.

Irinotecan ist bei Kindern nicht ausreichend getestet und folgerichtig auch nicht zugelassen. Die Behandlung von Kindern mit Krebserkrankungen unter Anwendung von Irinotecan im Rahmen einer Chemotherapie sollte – wenn überhaupt – ausschließlich im Rahmen von Studien erfolgen.

Stillende Frauen, die mit Irinotecan behandelt werden müssen, sollten abstillen, da Irinotecan in signifikanten Mengen in die Muttermilch übergeht.

Nebenwirkungen

Allgemein

  • cholinerges Syndrom: zum Teil dosisabhängig; auch abhängig von der Infusionsgeschwindigkeit.
    • früh (bis 24 Stunden nach Irinotecan): Tachycardie (Herzrasen), Gesichtsrötung (Flush), Nasenlaufen, Tränenlaufen, Schwitzen und Durchfall (Diarrhoe). Gegenmaßnahme: Atropin 0,5–1 mg (alternativ 0,3–0,6 mg) subkutan (s.c.) injiziert. Eine prophylaktische Gabe kann bei der nächsten Irinotecan-Gabe sinnvoll sein.
    • spät (24 Stunden nach Irinotecan und später): Diarrhoe (Durchfall). Es werden auch andere Mechanismen als Ursache angeschuldigt. Gegenmaßnahmen: Loperamid oder Octreotid, ausreichender Flüssigkeits- und Salzersatz.
  • Myelosuppression (Knochenmarktoxizität): Manifestiert sich Neutropenie, Anämie und Thrombopenie. Blutbildkontrollen sind bei der Anwendung von Irinotecan erforderlich. Die Verabreichung von G-CSF kann erfolgen, muss aber nicht.
  • Alopezie möglich
  • Lebertoxizität (Leberschädigung): manifestiert als Transaminasenerhöhung, Hyperbilirubinämie (Gelbsucht) bis zum Leberversagen.
  • Nierentoxizität (Nierenschädigung): manifestiert als Kreatininanstieg, bisweilen aber auch Nierenversagen, vor allem bei gleichzeitigem Flüssigkeitsverlust durch Durchfall.
  • Hypersensitivität (Überempfindlichkeit, allergische Reaktion)
  • Kolitis & Ileus (Darmentzündung und Darmverschluss)
  • Gewebereizung bei Paravasat: wenn Irinotecan fälschlicherweise nicht in die Vene infundiert wird, sind Gegenmaßnahmen zur Abmilderung oder Verhinderung von Gewebeschädigungen erforderlich (Verdünnung mit sterilem Wasser, Auflage von Eis). Anderenfalls wird dem betroffenen Gewebe durch Irinotecan Schaden zugefügt.
  • Kanzerogenität (Hervorrufen von Krebserkrankungen): Nach gegenwärtigem Stand des Wissens gibt es Hinweise darauf, dass der Einsatz bzw. Gebrauch von Topoisomerase I Hemmern wie Irinotecan das Auftreten von Leukämien begünstigen kann. Gesichert ist, dass der Einsatz von Topoisomerase II Hemmern wie Etoposid bei Überschreiten von bestimmten Schwellendosen das Auftreten von Leukämien begünstigt.

Durchfall (Diarrhöe)

Irinotecan kann Durchfälle verursachen, die zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten und durch unterschiedliche Mechanismen bedingt sind.

„Frühe Durchfälle“ treten während oder kurz nach der Infusion von Irinotecan auf. Sie werden durch eine cholinerge Wirkung von Irinotecan verursacht, welche sich auf eine Hemmung der Acetylcholinesterase (AChE) zurückführen lassen. In den meisten Fällen ist dieser frühe Durchfall bedingt durch Irinotecan kurzandauernd und nur selten schwerwiegend. Parallel zum Durchfall treten oft als zusätzliche Symptome eines cholinergen Syndroms Schwitzen, Nasenlaufen (Schnupfen), gesteigerte Speichelproduktion, Tränenlaufen, Gesichtsrötung (Flush) und gesteigerte Darmbeweglichkeit auf. Die Gabe von Atropin kann diese Symptome und damit auch den Durchfall abmildern oder verhindern (prophylaktische Gabe).

„Späte Durchfälle“ treten 24 Stunden nach Irinotecan-Infusion oder noch später auf. Diese Durchfälle sind zumeist schwerwiegender, dauern länger an und können ohne Gegenmaßnahmen auch zu lebensbedrohlichen Zuständen infolge massiven Flüssigkeits- und Salzverlust führen. Als Richtwert gilt für schweren Durchfall mehr als 10 Stuhlgänge am Tag oder Durchfall mit Blutbeimengung. Dieser "späte" Durchfall kann durch eine Therapie mit Loperamid gebessert werden. Eine engmaschige Überwachung des Flüssigkeits- und Salzhaushalts sind angezeigt. Defizite sollten durch intravenöse Gabe von Flüssigkeit und Salzen (Elektrolyte) beseitigt werden. Bis zum Abklingen des „späten Durchfalls“ sollte eine erneute Therapie mit Irinotecan unterbleiben. Im Gegensatz zum „frühen Durchfall“ werden für den „späten Durchfall“ durch Irinotecan andere Mechanismen angeschuldigt: neben der anticholinergen Wirkung durch Blockade der Acetylcholinesterase ist auch die Schleimhauttoxizität (Schleimhautschädigung) des Darms ein Mitverursacher dieser Nebenwirkungen. Menschen, welche älter sind als 65 Jahre, weisen ein höheres Risiko zur Entwicklung von Durchfällen durch Irinotecan auf als Menschen im Alter unter 65 Jahren.

Quellen

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