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Radikale (Chemie)



Als Radikale bezeichnet man Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Elektron, die meist besonders reaktionsfreudig sind. Radikale werden mit einem 'Punkt' dargestellt, z. B. Stickstoffmonoxid (NO), der das freie Elektron symbolisiert. Enthält ein Radikal mehrere ungepaarte Elektronen, spricht man von Diradikal (auch Biradikal), Triradikal usw.

  Bedingt durch ihre hohe Reaktivität existieren Radikale meistens nur sehr kurze Zeit (< 1 Sekunde). Ausnahmen sind stabilisierte Radikale, z. B. Triphenylmethylradikale (Gomberg-Radikal). Diese stehen in Lösung mit ihren Dimeren im Gleichgewicht. Dieses Dimer ist nicht Hexaphenylethan, wie oftmals angenommen wird, sondern die in der Abb. gezeigte Verbindung. Auch in der Natur kommen stabile Radikale vor. So beinhaltet zum Beispiel das Enzym 'Ribonukleotidreduktase' ein Tyrosylradikal, welches eine Halbwertszeit von 4 Tagen aufweist.

Radikale spielen eine wichtige Rolle bei bestimmten Oxidationsprozessen, bei Polymerisationen und bei manchen Substitutionsreaktionen. Besonders leicht lassen sich Radikale aus Halogenmolekülen (z. B. Chlor, Cl-Cl) oder di-tert.-Butylperoxid durch Bestrahlung mit UV-Licht gewinnen.

Inhaltsverzeichnis

Bekannte Beispiele

  • Disauerstoff O2 - das Sauerstoffmolekül enthält zwei ungepaarte Elektronen (Biradikal O-O; die Lewis-Formel O=O ist nicht korrekt) und bildet sich im Magnetfeld als paramagnetisches Triplett ab. Allerdings ist die Reaktionsfähigkeit dieses Biradikals beschränkt, da die beiden ungepaarten Elektronen in verschiedenen Orbitalen vorkommen und nicht denselben parallelen Spin haben (siehe auch Pauli-Prinzip)
  • Stickstoffmonoxid NO - ein als Botenstoff erkanntes Molekül mit einem ungepaarten Elektron
  • Hydroxyl-Radikal OH - das reaktivste und bedeutendste Radikal in der Atmosphäre (wichtig für Abbau von Luftverunreinigungen)
  • Chlorradikale Cl- werden durch Lichteinwirkung aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen freigesetzt und sind beteiligt an der Zerstörung der Ozonschicht

Entstehung

Radikale entstehen im Körper durch Überlastung der Verbrennungsprozesse in Mitochondrien oder durch extreme äußere Einflüsse:

Radikale können in den Körper gelangen, indem einer der obigen Einflüsse von außen Moleküle des Körpers in freie Radikale zerteilt. Direkte Einwirkung extremer Hitze ist hier unwichtig, weil der sonstige Schaden durch Feuer viel größer ist. Radikale gelangen durch Essen und Trinken von Nahrung, die ionisierender Strahlung ausgesetzt war, oder durch das Einatmen von Zigarettenrauch in den Körper. Aber auch einige Typen von Lymphozyten produzieren Radikale zur Keimabwehr.

Radikale in der Biologie

Radikale, etwa reaktive Sauerstoffspezies, spielen bei einer Vielzahl biologischer Prozesse eine wichtige Rolle, können aber auch Zellschäden hervorrufen, die u. a. zur Entstehung von Krebserkrankungen beitragen können. Auch für die Entstehung der Arteriosklerose, der Alzheimerschen Krankheit, der Leberschädigung durch Alkohol und des Lungenemphysems durch Zigarettenrauch wird der durch freie Radikale vermittelten Oxidation verschiedener Stoffe eine bedeutsame Rolle zugeschrieben. Unter den intrazelluären Signalwegen, die durch freie Radikale aktiviert werden, ist der NF-κB-Signalweg einer der wichtigsten.

Da der Schutz vor der Wirkung Radikale lebensnotwendig ist, besitzt der Körper wirksame Abwehr- und Reparaturmechanismen in Form von Enzymen, Hormonen oder anderen Substanzklassen, die den Schaden minimieren. An diesen Abwehrmechanismen sind Antioxidantien wie Epigallocatechingallat, Superoxiddismutase, Glutathionperoxidase, Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Coenzym Q10 und Anthocyane beteiligt. Auch Bilirubin, Harnsäure sollen bestimmte freie Radikale neutralisieren können. Das Hormon Melatonin gilt ebenfalls als Radikalenfänger gegen den oxidativen Stress. Das stärkste bekannte Anitoxidans, das Hydridion H-, spielt z.B. im Citratzyklus und bei vielen Redoxreaktionen des Stoffwechsels eine wichtige Rolle.

Radikale spielen im Rahmen der sogenannten „Abnutzungstheorien“ der Alterungsprozesse im Körper eine Rolle, so dass Wirksubstanzen gegen oxidativen Stress als Mittel gegen das Altern im Gespräch sind. So ist bekannt, dass Zellen von Vögeln weitaus besser freien Radikalen widerstehen können. In diesem Zusammenhang wurde jedoch auch gezeigt, daß Radikale erforderlich sind, um die Abwehrkapazität des Organismus gegen freie Radikale zu steigern; dieser Prozess heisst Mitohormesis und wird durch Antioxidantien verhindert, wie kürzlich von Michael Ristow und Mitarbeitern gezeigt.

Historische Bedeutung

Als sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Theorie durchsetzte, dass alle Materie aus Atomen aufgebaut ist (siehe John Dalton), wurde von bedeutenden Chemikern wie Lavoisier und Wöhler der Begriff Radikal verwendet, um mehratomige Moleküle zu bezeichnen, die sich in chemischen Reaktionen wie Einzelatome verhielten.[1] Zum Beispiel verhält sich das Cyanat-Ion, das aus drei Atomen aufgebaut ist, häufig wie ein Chlorid-Ion. Andererseits verhält sich ein Ammonium-Ion, das aus fünf Atomen besteht, oft wie ein Ion eines Alkalimetalls. Deshalb wurden beispielsweise Cyanat- und Ammonium-Ionen als Radikale bezeichnet. Siehe auch: Radikaltheorie.

Literatur

  • Christoph Rüchardt: Radikale. Eine chemische Theorie in historischer Sicht. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Jahrgang 1992, S. 319–345 (Volltext)

Quellen

  1. John Buckingham: Chasing the molecule. Stroud : Sutton, 2004., ISBN 0-7509-3345-3
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Radikale_(Chemie) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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