Chemiker warnen vor Krise in der Weltnahrungsmittelproduktion

30.03.2011 - Deutschland

Die globale Produktion von Phosphordünger könnte in diesem Jahrhundert ihr Maximum erreichen und dann absinken. Das würde die Weltnahrungsmittelproduktion gefährden und zu Engpässen und Preissteigerungen führen. Davor warnten am 27. März 2011 fünf bedeutende wissenschaftliche Gesellschaften anlässlich der Vorstellung des Berichts „Chemie für eine nachhaltige globale Gesellschaft in Anaheim (Kalifornien). Sie erwarten die Krise dann, wenn die Weltbevölkerung auf über neun Milliarden Menschen ansteigt.

Reis, Mais, Weizen und andere wichtige Nahrungspflanzen benötigen Phosphor. Er ist neben Stickstoff und Kalium einer der drei Hauptbestandteile der Düngemittel, welche die Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln sicherstellen. Vorhersagen der Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung von 6,1 Milliarden im Jahr 2000 auf 8,9 Milliarden bis zum Jahr 2050 ansteigen. Das ist ein Zuwachs von 47 Prozent.

Der Bericht Chemie für eine nachhaltige globale Gesellschaft warnt nicht nur vor dem „globalen Phosphorfördermaximum“ – analog zu den bekannteren Warnungen vor dem „globalen Ölfördermaximum“ –, sondern weist auch auf die Lage bei anderen natürlichen Ressourcen hin. Bei ihnen könnten Monopole oder politische Instabilität zu Lieferunterbrechungen oder Preissteigerungen führen. Zu diesen Ressourcen gehören Seltene Erden und wertvolle Metalle wie Lithium, Platin und Palladium, die erforderlich sind zur Herstellung von Computern, Mobiltelefonen, wiederaufladbaren Akkus, Solarzellen, Brennstoffzellen, Medikamenten, Katalysatoren für Autos und anderen wichtigen Erzeugnissen.

„Für viele Länder berührt es die nationale Sicherheit, wenn eine kleine Gruppe von Ländern die Restbestände zahlreicher wertvoller, lebenswichtiger Ressourcen kontrolliert“, erklärt der Bericht. „Politisch motivierte nationale Strategien der Exportbeschränkung für bestimmte Mineralien werden bereits in die Praxis umgesetzt. Die begrenzte Verfügbarkeit und die hohen Preise knapper Bodenschätze werden bald Industriezweige quer durch viele verschiedene Sektoren beeinträchtigen.“

Der Bericht resümiert die Ergebnisse eines viertägigen Treffens der Chinese Chemical Society, der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Chemical Society of Japan, der Royal Society of Chemistry und der American Chemical Society im September 2010 in London. 30 internationale Experten für Materialwissenschaften nahmen an der Veranstaltung teil. Sie reiht sich ein in die laufende Serie von Chemical Sciences and Society Symposien (CS3), die diese Gesellschaften durchführen, um nach Lösungen für einige der bedrohlichsten Weltprobleme zu suchen.

„Der Chemiker hat den Auftrag, die Gesellschaft zu beraten und ihr zu zeigen, welche Lösungen sie mit der Chemie erreichen kann“, sagt Ryoji Noyori, Träger des Chemie-Nobelpreises 2001, im Vorwort des Berichts und hofft, „dass unsere Empfehlungen weite Verbreitung bei Regierungen und Gesellschaften in der ganzen Welt finden und wir gemeinsam auf das Ziel der idealen und nachhaltigen internationalen Gemeinschaft hinarbeiten.“

Phosphormangel im Boden ist besonders akut in Australien, dem siebtgrößten Weizenproduzent der Erde, sowie in Afrika südlich der Sahara, wo der Phosphorgehalt das Nutzpflanzenwachstum begrenzt und bereits Millionen Menschen durch Unterernährung und regelmäßige Hungersnöte bedroht sind.

Die Lagerstätten phosphathaltigen Gesteins, das zur Düngemittelproduktion abgebaut wird, werden wahrscheinlich innerhalb der nächsten 30 bis 100 Jahre erschöpft sein. Gegenwärtig gibt es keinen Ersatz für diese natürliche Quelle von Phosphordünger. Zwei Drittel der Weltphosphorressourcen befinden sich in China, Marokko und der Westsahara. Die Nachfrage nach Phosphor steigt bereits rapide, und der Preis von Ammoniumphosphatdünger, der zusätzlich Stickstoff enthält, hat sich in den letzten Jahren verdoppelt.

Chemie für eine nachhaltige globale Gesellschaft setzt sich für technische Durchbrüche ein, um die Versorgung künftiger Generationen mit Phosphor zu gewährleisten. Die CS3-Teilnehmer hoffen, dass es der Chemie gelingt, neue Materialien zu entwickeln, mit denen die Menschheit umfangreiche neue Phosphorquellen in Flüssen, Ozeanen und im Boden nutzbar machen kann. Dazu gehören auch Techniken zur Extraktion von Phosphor aus Wasser.

Der Bericht unterstreicht, dass auch Engpässe bei anderen für die moderne Technik, vom Computer bis zum Hybridauto, unerlässlichen Elementen eintreten werden, wenn nicht ähnliche Anstrengungen unternommen werden, um Alternativen zu finden oder die Effizienz in der Gewinnung und beim Einsatz vorhandener Werkstoffe zu verbessern. Zu diesen Elementen gehören Lithium, ein Bestandteil von Batterien und einigen Medikamenten, sowie Platin, das in Brennstoffzellen benötigt und in Katalysatoren gebraucht wird, um die Effizienz großtechnischer chemischer Produktionsprozesse zu verbessern. Weitere knappe Elemente sind die Seltenen Erden – eine Reihe von Elementen, die zur Herstellung von Computern, Autos mit Hybridantrieb, militärischen Waffen und anderen High-Tech-Produkten benötigt werden.

Markus Antonietti, Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees und Leiter der deutschen CS3-Delegation, erklärt: „Der vorliegende Bericht gehört vermutlich zu den wichtigsten, zu denen ich je einen Beitrag leisten durfte. Die ganz großen Aufgaben anzupacken, löst bei aktiven Wissenschaftlern gewöhnlich große Skepsis aus, doch ich war beeindruckt von der exzellenten Qualität, der äußerst konstruktiven Arbeitsatmosphäre und der Geschlossenheit der Werte aller anwesenden Experten. Trotz der äußerst unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und Gesellschaftssysteme der Teilnehmerländer ist der Bericht etwas ganz Besonderes: Er ist in der Tat ein globales Dokument, das sich mit globalen Fragen auseinandersetzt. Ob es um die Erschöpfung knapper Ressourcen, die Schadstoffbekämpfung in Luft, Wasser und Boden oder die Verwendung der nachhaltigen Energien der Erde geht, immer handelt es sich um Probleme, bei denen Bemühungen einzelner Länder im Alleingang sinnlos sind.

Im Gegensatz zum ‚Club of Rome’ analysiert dieser Bericht nicht nur die zugegeben kritische Situation, sondern macht auch konstruktive Vorschläge, wie die vorhandene oder in naher Zukunft vorhandene Wissenschaft und Technik die Lage verbessern kann.

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