„Interview“ mit dem „Farbwerks“-Gründer

Eugen Lucius über die Anfänge des Industrieparks Höchst

23.10.2013 - Deutschland

Das „Interview“ ist nicht echt, aber die Inhalte sind zutreffend und aus Anlass des Industriepark-Jubiläums auch nach mehr als 100 Jahren topaktuell: Wenn der Chemiker Eugen Lucius, einer der drei Gründer der Theerfarbenfabrik, aus denen der heutige Industriepark Höchst hervorging, nach der Vorgeschichte der Firmengründung und den ersten Jahren der „Rotfabrik“ gefragt worden wäre, dann wäre ein Interview entstanden wie das, das auf der Jubiläums-Website bereit steht – ein interessantes Stück Industriegeschichte, denn wer könnte besser über die Gründung der „Rotfabrik“ berichten als der Gründer selbst. Der Zuhörer erfährt unter anderem, auf welchem Zufall die Erfolgsstory der Pharmaproduktion „made in Höchst“ basiert, welchen Einfluss die Farbwerke auf die Sozialgesetzgebung im Kaiserreich hatte und warum die Höchster Hausfrauen maßgeblichen Anteil daran hatten, dass in Höchst einer der größten und erfolgreichsten Chemie- und Pharmastandorte Europas entstehen konnte.

Die Geschäftsidee, auf der die Geschichte des Industrieparks Höchst basiert, stammt aus England. Eugen Lucius besuchte die Industriemetropole Manchester im Jahr 1857 und brachte von dort viele Ideen mit. „Ohne diese Reise hätte es die Farbwerke in Höchst vermutlich nicht gegeben“, berichtet Lucius in dem Interview. In England war die Industrialisierung bereits weit fortgeschritten. Während seiner Reise lernte Eugen Lucius auch die Erfindung des britischen Chemikers William Henry Perkin kennen, der einen leuchtenden Farbstoff entwickelt hatte – diese Entwicklung sollte die Textilindustrie und das Färberhandwerk revolutionieren. „Für mich war es ein Riesenglück, dass ich diese neuen Farbstoffe am Ort des Geschehens studieren konnte“, erläutert Lucius.

In Manchester lernte Lucius auch den Hamburger Kaufmann Carl Friedrich Wilhelm Meister kennen, von dem ein Großteil des Kapitals für die Gründung der Theerfarbenfarik in Höchst stammt. Das erste Produkt der kleinen Firma ist der rote Farbstoff Fuchsin. Der eigentliche Durchbruch gelang mit der ersten Eigenentwicklung, dem Aldehydgrün, der auch bei künstlichem Gaslicht farbecht blieb und zu einem Verkaufsschlager wurde.

Folglich wuchs die Fabrik und der Produktionsstandort wurde von der Höchster Stadtmauer in das Unterfeld verlegt – den Bereich des heutigen Industrieparks Höchst. „Hier fanden wir reichlich Platz für neue Fabrikationsbetrieb“, verdeutlicht Lucius die Hintergründe für den Umzug. „Und wir umgingen auch den Ärger mit den Höchster Hausfrauen, denn wir hatten einige Male unfreiwillig die weiße Wäsche auf der Bleiche am Main eingefärbt. Einer der Gründe, warum unser Unternehmen den Namen ‚Rotfabrik‘ trug.“ 

Lucius erläutert auch, welchem Zufall die Erfolgsgeschichte der Arzneimittelproduktion „made in Höchst“ zu verdanken ist: „Forschungsinstitute benutzten unsere Farbstoffe, um Krankheitserreger unter dem Mikroskop erkennbar zu machen. Dabei stellten sie fest, dass sich die Farbstoffe aggressiv gegenüber den Erregern verhielten. Das war eine bedeutende Erkenntnis.“ Für die Farbwerke tat sich ein riesiger Markt für industriell hergestellte Arzneimittel auf und das Unternehmen hatte großen Anteil daran, dass wieder auftretende Epidemien wirksam bekämpft werden konnten.

Zu den Eindrücken, die der aus dem thüringischen Erfurt stammende Chemiker aus England mitgebracht hatte, gehörte auch die Erkenntnis, dass die Industrie-Arbeiter unter Not und Elend litten „Diese Erfahrung hat mich nie losgelassen“, so Lucius – aus diesem Grund wurden für die Mitarbeiter der Theerfarbenfabrik schon ab 1875 menschenwürdige Wohnungen gebaut, Kantinen und Bäder eingerichtet und eine Kranken- und Rentenversicherung geschaffen. Diese diente sogar als Vorbild für die Sozialgesetzgebung von Reichskanzler Bismarck, mit dem Eugen Lucius freundschaftlich verbunden war.

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