Forscher messen Emissionen der Hauptstadt

Klimaforscher erfassenTreibhausgasausstoß erstmals mit bodengebundenen Fernerkundungsinstrumenten

01.07.2014 - Deutschland

Eine neue Methode, um den Treibhausgasausstoß von Großstädten und anderen räumlich begrenzten Quellen zu messen, haben Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelt. In einer Messkampagne in Berlin wenden sie ihre Messmethode erstmals an: Mit fünf um die Stadt verteilten bodengebundenen Fernerkundungsinstrumenten messen sie sowohl die erhöhten Werte in der Abluftfahne der Stadt sowie die Hintergrundkonzentration, also die Menge an Treibhausgasen, die sich in der umgebenden Luft bereits angesammelt haben. Aus den Differenzen ermitteln die Forscher die tatsächlichen Emissionsstärken von Kohlendioxid und Methan.

Foto: Dr. Frank Hase

Vorbereitende Vergleichsmessungen mit mehreren Fourierspektrometern auf der Dachterrasse des KIT-Instituts für Meteorologie und Klimaforschung.

Die durch den Ausstoß der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan verursachte Klimaerwärmung steht in diesen Tagen wieder im Fokus der Politik. So wollen sich künftig auch die USA und China intensiver um ein Verringern der Emissionen bemühen. Allerdings reichen bisherige Methoden nicht aus, um die langfristige Entwicklung der Konzentrationen in der Atmosphäre vorherzusagen. Dazu und um mögliche Strategien zur Minimierung der Klimafolgen zu bewerten, ist es erforderlich, sowohl Treibhausgasquellen als auch Treibhausgassenken – also Ökosysteme, die mehr Treibhausgas aufnehmen, als sie abgeben – quantitativ genau zu bestimmen, das heißt genau messen zu können, in welcher Menge sie Gase abgeben oder aufnehmen. Damit befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung (IMK-ASF) des KIT.

„Den Ausstoß aus Treibhausgasquellen genau zu beziffern, ist deshalb schwierig, weil die Gase sehr lange in der Atmosphäre verweilen“, erklärt Dr. Frank Hase, Mitglied der Gruppe „Bodengebundene Fernerkundung mit Fourier-Transformations-Infrarot-Spektrometern“ am IMK-ASF. „Eine bestimmte Quelle – etwa eine Großstadt – bewirkt daher nur eine sehr kleine zusätzliche Erhöhung gegenüber der Konzentration, die sich bereits im Hintergrund angesammelt hat. Genau diese kleine Erhöhung gilt es zu messen.“ Zwar gibt es etablierte Messverfahren, welche die Konzentration der Gase am Aufstellungsort der Instrumente mit hoher Genauigkeit erfassen können. Die Daten derartiger lokaler Messungen sind aber dominiert von Quellen in unmittelbarer Nachbarschaft; außerdem ist ihre Interpretation schwierig, weil die berechneten Stärken der Quelle von Modellannahmen über den Transport der Gase durch die Luft abhängen. Messungen der Treibhausgaskonzentrationen auf verschiedenen Höhenniveaus an Masten, die bis einige Hundert Meter hoch sind, erlauben deutlich tragfähigere Aussagen. Solche Verfahren sind jedoch äußerst aufwendig.

Daher gehen die KIT-Klimaforscher nun einen neuen Weg: Sie messen die Emissionen einer Großstadt erstmals mit einem kleinen Netzwerk bodengebundener Fernerkundungsinstrumente. Dabei handelt es sich um Fourierspektrometer. Diese messen im nahen Infrarotbereich die Wellenlängenintervalle, in denen Kohlendioxid und Methan die Sonnenstrahlung aufnehmen (absorbieren). Das heißt, sie analysieren, wie stark die Wärmestrahlung der Sonne beim Durchgang durch die Erdatmosphäre abgeschwächt wird. „Somit handelt es sich nicht um eine lokale Messung – vielmehr bestimmen wir die Gesamtmenge der Gase entlang des Sehstrahls, also entlang der gedachten Verbindungslinie zwischen Messinstrument und Sonne“, erläutert Frank Hase. Der Sehstrahl entspricht also dem Weg, den das einfallende Licht nimmt.

Die Messkampagne läuft über drei Wochen von Ende Juni bis Mitte Juli. In dieser Zeit setzen die KIT-Forscher fünf Fourierspektrometer entlang des Berliner Stadtrands ein. Je nach Windrichtung befindet sich jeweils eine der ringförmig um die Stadt verteilten Messstationen in der Abluftfahne der Stadt und misst erhöhte Werte, während die übrigen Stationen die Hintergrundkonzentration der Gase in der anströmenden Luft erfassen. Aus den Differenzen der Messergebnisse lassen sich bei Kenntnis der Windverhältnisse die Emissionsstärken von Kohlendioxid und Methan ermitteln.

Möglich wurde diese zuverlässige Methode dadurch, dass die KIT-Wissenschaftler die Genauigkeit der Messungen auf ein zuvor nicht erreichtes Niveau von besser als 0,1 Prozent der beobachteten Gasmenge verbesserten. Die neuen tragbaren Instrumente wurden aus der strategischen Ausbauinvestition „Advanced Remote Sensing – Ground Truth Demo and Test Facilities“ (ACROSS) der Helmholtz-Gemeinschaft finanziert. Das KIT entwickelte die Instrumente eigens für diesen Einsatzzweck in Kooperation mit dem Industriepartner Bruker Optik GmbH (Ettlingen) auf der Basis eines Seriengeräts. Bruker Optik bietet die neuen Instrumente inzwischen für atmosphärische Messungen an – die ersten Geräte werden bereits von Forschungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten, Japan und Australien eingesetzt.

Um eventuell verbleibende instrumentell bedingte Abweichungen in den Messdaten zwischen den einzelnen in Berlin eingesetzten Spektrometern vorab zu erkennen, nahmen die KIT-Klimaforscher gleichzeitige Messungen mit allen Geräten am Campus Nord des KIT vor. Die Auswertung der Daten aus der Messkampagne in Berlin wird einige Monate dauern. Anschließend wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse veröffentlichen. Sie erwarten, dass die neue Messmethode sich schnell etablieren wird. Diese eignet sich nicht nur für Großstädte, sondern auch für weitere lokalisierte Quellen, beispielsweise Erdgasfelder.

Für die Zukunft plant das IMK-ASF des KIT, die tragbaren Spektrometer in Kampagnen für weitere europäische Großstädte und andere Quellen einzusetzen sowie in Kooperation mit lokalen Arbeitsgruppen ein weltweites Stationsnetz aufzubauen. „Diese Messungen werden dazu beitragen, Lücken in den vorhandenen globalen Messnetzen zu schließen und einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs leisten“, sagt Dr. Frank Hase.

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