Kinder und Karriere: Mütter im Management bei Lilly

20.10.2004

Das Pharmaunternehmen Lilly Deutschland wurde nach einer Umfrage des Wirtschaftsmagazins Capital als einer der besten Arbeitgeber 2004 ausgezeichnet und erhielt den Sonderpreis für Chancengleichheit. Wie die Arbeit für Frauen in Spitzenpositionen bei dem "ausgezeichneten Arbeitgeber" konkret aussieht und wie sich Familie und Beruf in Einklang bringen lassen, zeigt ein Interview mit Katrin Gehring-Budig (33), Personalleiterin für den Standort Bad Homburg, und Dr. Sabine Greulich (41), Direktorin Geschäftsbereich Onkologie und Wachstumshormon bei Lilly.

Sie arbeiten beide seit Jahren erfolgreich in der Pharmaindustrie und verbinden, was für viele Frauen noch immer unmöglich scheint: Kinder und Karriere. Sie sind Ärztin, wie kamen Sie zu Lilly?

Dr. Sabine Greulich: Das Marketing in einem pharmazeutischen Unternehmen bietet eine ideale Möglichkeit, Medizin mit anderen Kompetenzen wie beispielsweise Kommunikation, strategischem Denken und Handeln zu verbinden. Nach der klinischen Tätigkeit als Ärztin, Erfahrungen in der PR und in einem medizinischen Fachverlag, bewarb ich mich auf eine Stelle als Produktmanagerin bei Lilly und begann im November 1998 auf dieser Position in der Onkologie. Zuvor hatte ich die Baby-Pause genutzt, um mir grundsätzlich über meine Karriere Gedanken zu machen. Lilly bot mir gute berufliche Voraussetzungen und nach einiger Zeit als Produktmanagerin folgte eine Position als regionale Verkaufsleiterin im Vertrieb Onkologie. Danach habe ich die Marketingleitung der Abteilung Onkologie übernommen und bin nun, sechs Jahre nach meinem Einstieg bei Lilly, Direktorin des Geschäftsbereiches Onkologie und Wachstumshormon.

Und wie sieht Ihr Karriereweg bislang aus?

Katrin Gehring-Budig: Ich bin vor knapp zehn Jahren zu Lilly gekommen, ursprünglich habe ich in Deutschland und Spanien europäische Betriebswirtschafts¬lehre studiert. Ich habe ganz traditionell im Außendienst angefangen und bei Ärzten und Krankenhäusern Insulin beworben. Danach bin ich ins Marketing gewechselt und nach etwa einem Jahr wurde ich vom Unternehmen gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, eine Zeit lang in der Personalabteilung zu arbeiten. Dabei hat sich für mich sehr schnell herausgestellt, dass Personal viel spannender als Marketing ist. Hier hat man den Überblick über das Gesamt¬unternehmen. Außerdem macht mir der Umgang mit Menschen sehr viel Spaß. Nach einem zweijährigen Aufenthalt für Lilly in Brüssel, bin ich seit drei Jahren wieder in Deutschland. Vor einem Jahr wurde ich Mutter und machte eine kurze Babypause. Heute leite ich ein Team von acht Mitarbeitern.

Was zeichnet die Gestaltung der Karriere bei Lilly besonders aus?

Katrin Gehring-Budig: Wir haben bei Lilly ein sehr präzises und gutes Leistungs¬beurteilungssystem. Es beinhaltet einen so genannten Development-Plan, bei dem die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten des Mitarbeiters im Fokus stehen. Wenn sich jemand weiterentwickeln will und Lilly Potenzial für weiterführende Aufgaben identifiziert, wird geprüft, was der Mitarbeiter benötigt, um noch mehr Verantwortung übernehmen zu können. Zudem haben wir für das Gesamt¬unternehmen eine Nachfolgeplanung. Hier wird langfristig überlegt, welche Mitarbeiter auf welche Positionen hin entwickelt werden können.

Wie sah diese Förderung bei Ihnen konkret aus, Frau Dr. Greulich?

Dr. Sabine Greulich: Ich glaube, ich bin ein sehr gutes Beispiel für erfolgreiche Mitarbeiterentwicklung und Karriere-Nachfolgeplanung. Neben Training-on-the-job haben wir mit dem Lilly Marketing Institut ein sehr gutes Ausbildungssystem, in dem man seine technische Kompetenz sukzessive erweitern kann. Für weiterführende Aufgaben fehlten mir zunächst Erfahrungen im Außendienst und in der Personal¬führung. Gemeinsam mit meinem damaligen Vorgesetzten habe ich geplant, wie ich die nötigen Entwicklungsschritte erwerben kann. Durch die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Positionen der letzten Jahre habe ich mir dann Schritt für Schritt die erforderliche Kompetenz und Erfahrung erarbeitet, um größere, übergreifende Verantwortung zu übernehmen.

Abgesehen von der Karriere, wie managen Sie Ihren privaten Alltag?

Dr. Sabine Greulich: Mein ältester Sohn ist 15, der zweitälteste elf und meine Tochter wurde gerade sieben Jahre alt, das erfordert ein gewisses Organisations¬talent. Zunehmend gibt es aber auch von öffentlicher Seite mehr und mehr Unterstützung, Kindergärten und Grundschulen haben nicht mehr nur von acht bis zwölf Uhr geöffnet. Zusätzlich muss man sich nach wie vor privat organisieren und beispielsweise eine Kinderfrau engagieren. Durch Freunde und Verwandte, die bei dringenden Terminen einspringen können, kommt auch ein "doppelter Boden" dazu. Es ist eine Frage der Organisation und Motivation. Aber wenn ich jetzt sagen würde, dass es "mit Links" geht, wäre das auch nicht ganz die Wahrheit.

Gibt es denn bei Lilly Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung?

Dr. Sabine Greulich: Bei Lilly gibt es diese Möglichkeit. Ich kann beispielsweise einen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass die Kinder zu Hause sein können und man trotzdem ruhig und konzentriert arbeiten kann. Das ist ein Trugschluss. Aber grundsätzlich ist man flexibler, wenn man weiß, dass der Arbeitgeber nicht verlangt, dass man von acht bis 17 Uhr im Büro ist.

Bei einer Capital-Umfrage ist Lilly erst kürzlich zu einem der besten Arbeitgeber Deutschlands gekürt worden und hat zudem einen Sonderpreis für den Bereich "Chancengleichheit" erhalten. Wie kam es dazu?

Katrin Gehring-Budig: Ich denke wir sind ausgezeichnet worden, weil wir uns in ganz verschiedenen Bereichen engagieren. Es entspricht unserer Unternehmens¬kultur, allen Mitarbeitern die gleichen Chancen zuteil werden zu lassen. Ganz entscheidend sind hierbei unsere Lilly Werte "Spitzenleistungen", "Integrität" und "Respekt für den Menschen". Bei Lilly sind zum Beispiel 30 Prozent unserer Führungskräfte im Außendienst Frauen. Das ist im Pharmamarkt in dieser Höhe sonst nicht üblich. Sicher besteht auch ein Zusammenhang darin, dass wir ein amerikanisches Unternehmen sind. In den USA wird auf Chancengleichheit sehr viel Wert gelegt.

Bei Lilly nimmt die Work-Life-Balance einen wichtigen Stellenwert ein. Wie sieht das in Ihrem persönlichen Fall aus?

Katrin Gehring-Budig: Ich denke, dass Work-Life-Balance sehr wichtig ist. Nur wenn die Balance zwischen Privatleben und Job stimmt, kann man auf Dauer hohe Leistung erbringen. In den ersten neun Jahren bei Lilly habe ich mich in den Job reingekniet und abends sehr lange gearbeitet. Mein Job hat mich sehr erfüllt und mein Privatleben lief nebenher. Seit ich Mutter bin, hat sich einiges geändert. Montags arbeite ich jetzt meistens von zu Hause. Es ist mir wichtig, Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Ich gehe zwar häufig um 17 Uhr, kann mich aber von zu Hause immer noch ins System einloggen und ein bisschen arbeiten, wenn die Kleine schläft. Auch mein Mann kümmert sich oft um unsere Tochter und springt ein, wenn ich einen wichtigen Termin habe. Ich bin sehr zufrieden und sogar noch motivierter als früher, weil ich sehe, dass das Unternehmen meine Arbeit wertschätzt. Ich denke, dass das "Muttersein" auch eine höhere Produktivität und Effizienzsteigerung mit sich bringen kann. Ich persönlich bin täglich gezwungen die 80:20 Regel anzuwenden, mir also genau zu überlegen, ob der Aufwand, den ich betreibe, um auch noch die restlichen 20 Prozent von etwas zu erreichen in einem vertretbaren Verhältnis zum Ergebnis steht, oder ob nicht die 80 Prozent ausreichen und ich mir dadurch Zeit schaffe, mich mit anderen Prioritäten zu beschäftigen.

Dann haben Sie eine Pionieraufgabe?

Katrin Gehring-Budig: Absolut. In der Vergangenheit konnten so genannte "Karriere-Frauen" einen Familienwunsch gar nicht ausleben. Frauen kamen in der Regel in der Hierarchie der Unternehmen bis zu einer gewissen Ebene oder Position und dann nicht mehr weiter. Das ändert sich jetzt. Immer mehr Frauen vereinbaren Kinder und Karriere. Der Anteil an Müttern in Führungspositionen nimmt kontinuierlich zu. Aber ich respektiere auch die Frauen, die zu Hause bleiben wollen. Ich kann mir das allerdings nicht vorstellen, mein Job ist einfach zu spannend. Ich wäre nicht ausgefüllt und auch nicht ausgeglichen und so zufrieden wie ich es heute bin. Die Beziehung zu meinem Kind würde sicher darunter leiden. In Deutschland gilt man häufig noch als Rabenmutter, wenn man relativ schnell wieder in den Job zurückkehren will. In Ländern wie Spanien und Frankreich ist es normal, nach einer kurzen Kinderpause wieder zu arbeiten und den Kindern geht es auch nicht schlechter.

Dr. Sabine Greulich: Ich denke, wir haben auch eine Vorbildfunktion. Wir und viele andere Mitarbeiterinnen bei Lilly zeigen: Familie und Karriere sind so vereinbar, dass alle dabei auch glücklich und zufrieden sind. Früher wussten meine Kollegen zum Teil gar nicht, wie viele Kinder ich habe. Jetzt werde ich mehr und mehr darauf angesprochen und vor allem Kolleginnen um die 30 fragen mich, wie die Balance zwischen Familie und Beruf zu halten ist. Diesen Frauen mache ich gerne Mut und zeige ihnen, dass eine große Familie und eine Position im Management durchaus zu vereinbaren sind.

Sicher ist es manchmal stressig, aber es ist die Mühe wert und macht Spaß. Das Interesse, ein ambitioniertes Berufsleben mit einem aktiven Familienleben zu verbinden, nimmt übrigens auch bei den Männern zu.

Weitere News aus dem Ressort Karriere

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Entdecken Sie die neuesten Entwicklungen in der Batterietechnologie!