Ehemaliger US-Botschafter sieht REACH bedroht

02.06.2008

Stuart Eizenstat, ehemaliger US-Botschafter bei der Europäischen Union, warnt vor einem "abschreckenden Signal" für die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den US, wenn wie er sagt "politischen Aktivisten" gestattet wird, die neue Chemikaliengesetzgebung der EU zu untergraben.

In einem Beitrag in European Voice, der Wochenzeitung der Economist-Gruppe zu EU-Angelegenheiten, warnt Eizenstat, die lang erwartete REACH-Richtlinie könne durch einen separaten Beschluss, der nun unter der so genannten RoHS-Richtlinie anstehe, gefährdet sein, noch bevor sie überhaupt eine Erfolgschance bekommen hätte.

"Das von EU und USA gemeinsam angestrebte Ziel des grenzenlosen transatlantischen Handels wird durch ordnungspolitische Entscheidungen untergraben, die sich von einwandfreien wissenschaftlichen Bewertungen zunehmend entfernen", schreibt er.

Eine zentrale Komponente der Regierungsbemühungen zur Verbesserung des transatlantischen Handels sei die Implementierung von REACH gewesen. Diese gewährleiste die konsequente ordnungspolitische Behandlung von Tausenden Chemikalien in der Europäischen Union.

Eizenstat führt das Beispiel bromierter Flammschutzmittel an: "Bromierte Flammschutzmittel", so Eizenstat, "liefern ein perfektes Beispiel für die Risiko-Nutzen-Analyse auf der Grundlage wissenschaftlicher Risikobewertungen, welche REACH und die RoHS-Richtlinie lösen sollten".

"Flammschutzmittel befinden sich in Möbeln, Textilerzeugnissen und Elektronik, und sie sind unverzichtbar, um die Verletzung von Menschen und die Zerstörung von Eigentum durch Brände zu vermeiden. In Flugzeugen beispielsweise vergrößern Flammschutzmittel im Katastrophenfall den Sicherheitsspielraum, indem sie die verfügbare Evakuierungszeit verlängern. Tatsächlich sind Flammschutzmittel wesentlich, um den Verordnungen und Normen vieler Länder in Bezug auf Brand- und Konsumgütersicherheit zu entsprechen. Ohne Flammschutzmittel würden jedes Jahr weit mehr Europäer bei Bränden verletzt werden oder umkommen und außerdem wesentlich mehr Sach- und Umweltschäden verursacht werden."

"Durch wissenschaftliche Bewertungen können Regulierungsbehörden eventuelle Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Flammschutzmitteln und den zusätzlichen Nutzen aus der Brandbekämpfung gegeneinander abwägen. Da der Entscheidungsfindungsprozess häufig einen technischen Charakter annehmen kann (Untersuchung der Risiken spezifischer chemischer Anwendungen, verfügbare Ersatzstoffe und Wirksamkeit der Ersatzstoff), bleiben diese Entscheidungen am besten Wissenschaftlern überlassen und nicht dem Druck von Interessengruppen."

Eizenstat, der als Berater der Industrie bromierter Flammschutzmittel fungiert, übt heftige Kritik an einer kürzlich vom deutschen Öko-Institut für die Europäische Kommission durchgeführten Studie, die etwa 90 chemische Verbindungen auflistet, die trotz des Inkrafttretens der neuen REACH-Verordnung für ein Verbot unter der alten RoHS-Richtlinie in Erwägung gezogen werden.

Es sei zu bedenken, sagt Eizenstat, dass viele dieser Chemikalien bereits umfassende EU-Risikobewertungen durchlaufen hätten, durchgeführt von wissenschaftlichen Experten der EU, die zu dem Schluss gekommen seien, diese Produkte seien nicht gefährlich.

"Während es sich um einen ersten Entwurf handelt und das Öko-Institut die Liste sehr wohl noch einschränken kann", so Eizenstat weiter, "wurde dennoch die Nachricht vermittelt, wissenschaftliche Bewertungen liefen Gefahr, ignoriert zu werden. Falls man diesen Entwurf bestehen lässt, könnten diese Chemikalien entgegen wissenschaftlichen Bewertungen und sogar noch bevor REACH Gelegenheit hatte, die relativen Risiken und Nutzen abzuschätzen, verboten werden."

Abschließend erklärt Eizenstat, dies ziehe die Selbstverpflichtung der EU zu einwandfreien ordnungspolitischen Prozessen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Bewertungen, Transparenz und Verfahrensrechten in Zweifel.

"Produkte zu verbieten, die nachweislich nicht gefährlich sind, ist genau die Art von politisierter Regulierung, willkürlicher Beschlussfassung, undurchsichtigen Prozessen und inkonsequenter Regulierung, die REACH vermeiden sollte. REACH sollte gestattet werden, ohne politische Einflüsse voranzuschreiten, die von wissenschaftlich fundierten ordnungspolitischen Entscheidungen abgekoppelt sind", sagt Eizenstat.

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