Kunststoffteilchen präzise steuern
Bayreuther Physiker finden ungewöhnliche Kolloide
Lehrstuhl für Experimentalphysik V, Universität Bayreuth
Auf den Spuren der Nobelpreisträger
Die Kolloide verhalten sich somit ähnlich wie die Elektronen topologischer Isolatoren. Dies ist eine Materialklasse, die seit wenigen Jahren die physikalische Forschung immer stärker fasziniert. Topologische Isolatoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie an den Materialgrenzen elektrisch leitfähig sind, aber in ihrem Inneren keinen elektrischen Strom hindurchlassen. Es waren die britischen Physiker David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz, die mit theoretischen Berechnungen die Erforschung dieser Festkörper wesentlich vorangebracht haben und dafür 2016 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Seither stieg auch das Interesse an großen Partikeln, die ähnliche Eigenschaften wie die wesentlich kleineren Elektronen in topologischen Isolatoren haben und ihnen analog sind.
Den Bayreuther Physikern ist es nun erstmals gelungen, solche Partikel zu identifizieren. Es sind Kolloide, die an ihrer jeweiligen Position verharren, wenn sie im Inneren eines komplexen Materials platziert sind. Doch an den Grenzen dieses Materials können sie sich entlanghangeln. Hier bewegen sie sich in schleifenförmigen Bahnen zügig fort. Bisher sind keine anderen Teilchen bekannt, die den Elektronen topologischer Isolatoren in dieser Weise ähnlich sind.
Künftige Chips als Miniatur-Laboratorien
Das außergewöhnliche Verhalten dieser Kolloide in und auf einem komplexen Material beruht auf dem strukturierten Magnetfeld, dem sie ausgesetzt sind. Infolge dieses Magnetfelds lässt sich die Fortbewegung der Kolloide auf der Oberfläche des Materials nicht nur ununterbrochen beobachten, sondern auch präzise steuern. Genau hier liegt ein vielversprechendes Potenzial für künftige Anwendungen in Forschung und Entwicklung: „Auf den Kolloiden lassen sich – beispielsweise im Rahmen biomedizinischer Untersuchungen – einzelne Moleküle platzieren, die im Huckepack-Verfahren exakt von einer Position an eine andere gewünschte Position transportiert werden. Die Kolloide eignen sich daher für die Herstellung von Mikrochips, auf denen diese Prozesse exakt gesteuert und beobachtet werden können. Diese Chips wären dann Miniatur-Laboratorien für verschiedenste Experimente, die auf eine derartige präzise Steuerung angewiesen sind“, erklärt Dr. Daniel de las Heras, der die Forschungsarbeiten in Bayreuth gemeinsam mit Dr. Johannes Löhr vorangetrieben hat.
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