Der Schweinezyklus in den Ingenieurarbeitsmärkten

Statement von Prof. Dr.-Ing. Klaus Henning, Mitglied des Präsidiums des VDI

25.06.2002

24.06.2002, Berlin

1. Die VDI Position Der Bedarf an Ingenieuren und Ingenieurinnen ist - trotz der konjunkturell angespannten Lage - sehr hoch. Der Anteil der Ingenieure und Ingenieurinnen an allen Beschäftigten wird in den kommenden Jahren weiter steigen.

Der rasante technologische Fortschritt und der dadurch resultierende Innovationsdruck erfordert ein Kontingent an Fachkräften, dass zur Zeit in Deutschland nicht vorhanden ist. Falsche Signale, die vor 5 bis 6 Jahren - dem Zeitraum eines Studiums - von der Wirtschaft durch eine kurzfristig ausgelegte Beschäftigungspolitik gesetzt wurden, führen heute zu einer Mangelsituation an Ingenieuren und Ingenieurinnen. Der VDI wendet sich mit einer Reihe von Maßnahmen an Schulen, Hochschulen, Politik und Wirtschaft, um eine ausgewogene und langfristig angelegte Personalpolitik zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu gewährleisten.

Unternehmen sind aufgefordert, in der kontinuierlichen Einstellung qualifizierter Fachkräfte eine strategische Investition in die unternehmerische Zukunft zu sehen und diese auch konsequent durchzuführen. Eine weitsichtige Personalpolitik bildet die Grundlage für die Sicherung des Technologiestandorts Deutschlands.

Für Abiturienten und Abiturientinnen sollte verdeutlicht werden, dass die Ingenieurtätigkeit nicht nur krisensicher, sondern auch durch die vielfältigen Aufgabenbereiche und das kreative Arbeiten ein spannender Beruf ist. Der VDI bietet in seinem Projekt „Jugend und Technik“ ein breites Informationsangebot für Schüler und Schülerinnen an, um für den Ingenieurberuf zu werben.

Neben der Information über den Ingenieurberuf ist die Einführung eines Technikunterrichts in den Schulen aller Bundesländern ein erklärtes Ziel des VDI Bereiches „Technik und Bildung“. Durch die praxisnahe und anwendungsorientierte Vermittlung von technisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtsinhalten wird ein wichtiger Grundstein für die Studienwahl gelegt.

Schlussendlich sind es jedoch auch vor allem die politischen Entscheidungsträger, die durch die Schaffung der Rahmenbedingungen Ingenieure, Naturwissenschaftler und Techniker fördern und dadurch den Fachkräftemangel auf lange Sicht dämpfen können.

2. Der Hintergrund Die konjunkturelle Entwicklung wirkt sich direkt aus auf das Berufswahlverhalten aus. Bei guter wirtschaftlicher Lage steigen die Studienanfängerzahlen und vice versa. Dies führt nach einer 5-6jährigen Zeitverzögerung bis zum Absolventen zum „Schweinezykluseffekt“. Dadurch kann der Bedarf bei wieder anspringender Konjunktur nicht durch das Potenzial aus der Zeit geringer Anfängerquoten gedeckt werden. Durch die hohe Zahl von Studienabbrechern wird diese Entwicklung noch verstärkt.

3. Die VDI-Untersuchung Innerhalb der 5-Punkte und der 19-Punkte Erklärung des VDI in Zusammenhang mit der Großen Anfrage im Deutschen Bundestag, in der über die Bedeutung des Berufsstandes für Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert wurde, wurde diese für den Berufsstand und den Wirtschaftsstandort Deutschland ganz zentrale Thematik dargestellt.

Der Präsident des VDI, Prof. Hubertus Christ, hat in seiner Rede anlässlich der diesjährigen CEBIT die Bedarfszahlen in den großen Ingenieurberufen und in der Informatik festgestellt und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung vorgestellt. Auf der Hannover Messe 2002 wurde eine Analyse von Stellenanzeigen in 38 deutschen Zeitungen und Zeitschriften, die im Auftrag der vdi-nachrichten erstellt wurde, präsentiert.

4. Die Ergebnisse Die Antwort der Bundesregierung auf den Punkt der großen Anfrage der den Fachkräftemangel thematisiert, nennt klar die beiden verantwortlichen Akteure: „..., dass sowohl die Unternehmen als auch die Bildungspolitik in den 90er Jahren nicht rechtzeitig die Weichen gestellt haben, um den neuen technologischen Entwicklungen und damit verbunden den beruflichen und kulturellen Herausforderungen entsprechen zu können.“ (gem. BLK-Bericht „Zukunft von Bildung und Arbeit“). Der Ingenieurbedarf ist somit zu einem wichtigen Tagungsordnungspunkt im politischen Dialog geworden.

Der auf der CEBIT 2002 dargestellte Bedarf umfaßt insgesamt 50.000 Fachkräfte. Davon verteilen sich ca. 20.000 Menschen auf die Weiterentwicklung und 30.000 auf den Status-Quo-Erhalt und somit die Besetzung von freigewordenen Stellen.

Die auf der Hannover Messe 2002 vorgestellte Untersuchung zeigt deutlich die nach der Boomphase eingetretene Marktbereinigung. Danach ist ein fast 30 prozentiger Rückgang der Stellenanzeigen für technische Fach- und Führungskräfte vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 zu verzeichnen.

5. Die Probleme Zu den Problemen für die Bewältigung des Ingenieurmangels zählt vor allem die Unsicherheit der Prognosen. Die Hochrechnungen, die mehrere Jahre in die Zukunft gerichtet sind, unterliegen ungesicherten Indikatoren.

Falls nicht schnellstmöglich Maßnahmen gegen den Ingenieurmangel implementiert werden, sind es vor allem Forschungsinstitute und der Mittelstand, die darunter leiden. Die Technologieentwicklung in den hochinnovativen Bereichen wie Nano-, Mikro-, Bio- oder Gentechnik kann in diesem Fall nur von den Großkonzernen mit einem hohen Forschungsetat geleistet werden.

6. Der Ausblick Gerade in einer konjunkturell angespannten Lage sind die Ingenieure und Ingenieurinnen als Innovationsmotoren der deutschen Industrie besonders wichtig. Dies wurde inzwischen von allen beteiligten Akteuren in Wirtschaft und Politik erkannt. Der VDI nimmt in diesem Prozess eine Moderatorenrolle ein, um sich überparteilich für einen ziel- und sachorientierten Dialog einzusetzen. Dieser Dialog soll zwar kurzfristig zu Problemlösungsansätzen führen, aber langfristig in Deutschland und auch im europäischen Kontext etabliert werden.

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