“Verschraubt und zugenäht!” – Spiralförmige Fehlstellen machen dreidimensionale photonische Isolatoren robust
Wissenschaftlich-technologischer Durchbruch stellt einen wichtigen Schritt auf dem Gebiet der topologischen Photonik dar
Wissenschaftlern der Universität Rostock und des Technion Haifa ist es erstmals gelungen, einen dreidimensionalen topologischen Isolator für Licht zu erzeugen. Eine sorgfältig platzierte Fehlstelle sorgt dafür, dass Lichtsignale sich geschützt entlang der Oberfläche dieses synthetischen Materials ausbreiten können, ohne gestreut zu werden. Ihre Entdeckung wurde kürzlich im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.

Erster 3D-topologischer Isolator für Licht: Eine schraubenförmige Gitterfehlstelle ermöglicht den topologisch geschützten Transport von Licht in drei Raumrichtungen
Julius Beck, Universität Rostock
Kristalle faszinieren die Menschheit bereits seit Jahrtausenden – zunächst mit ihrer offensichtlichen Schönheit und eleganten Symmetrie sowie in modernerer Zeit auch dank ihrer mannigfaltigen technologischen Anwendungen. Da sich Kristalle durch eine regelmäßige Gitteranordnung ihrer kleinsten Bausteine auszeichnen, werden ihre physikalischen Eigenschaften in entscheidendem Maße durch die Reinheit ihres Gitters bestimmt. Dennoch müssen Defekte kein Makel sein. So kann bereits die kleinste Prise gezielt eingebrachter Atome aus benachbarten Gruppen des Periodensystems ansonsten unscheinbare Siliziumplättchen in leistungsstarke Prozessoren verwandeln, die Milliarden von Rechenoperationen pro Sekunde durchführen – oder in hocheffiziente Solarzellen, die den stetig wachsenden Energiehunger unserer elektronischen Geräte nachhaltig zu stillen vermögen.
Das Konzept regelmäßiger Strukturen ist nicht nur in der Materialwissenschaft von Relevanz, sondern erlaubt auch die mathematische Beschreibung der Lichtausbreitung in gitterförmigen Anordnungen sogenannter Wellenleiter. Diese ‚Schaltkreise für Licht‘ beschäftigen Professor Alexander Szameit schon lange. „Jedes Kind weiß, dass Lichtstrahlen sich geradlinig ausbreiten und sich allenfalls durch Reflexion an einem Spiegel oder die Brechung an einer Linse ablenken lassen“, umschreibt der Leiter der Arbeitsgruppe für experimentelle Festkörperoptik der Universität Rostock unser alltägliches Verständnis für Licht. „Darum erstaunt es mich immer wieder, dass wir Licht tatsächlich auf definierte Bahnen leiten können und es zwischen ihnen hin- und herspringen kann wie die Elektronen in einem Kristall.“ Diese Idee bildet die Grundlage seiner Forschung, die Wellenleitersysteme nutzt, um verschiedene Facetten der Festkörperphysik auf die Optik zu übertragen und gänzlich neue Effekte und neuartige funktionelle Strukturen zu entwickeln.
So gelang es den Rostocker Physikern kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Technion Haifa (Israel) und der Universität Zhejang (China), den ersten dreidimensionalen topologischen Isolator für Licht zu konstruieren. „Topologische Isolatoren sind eine eigenständige Phase von Materie, die überhaupt erst vor wenigen Jahrzehnten entdeckt wurde“, umreißt Autor Dr. Lukas Maczewsky den Ausgangspunkt seiner Experimente. „Ihr photonisches Gegenstück kann Licht um Defekte und scharfe Ecken herumleiten und schützt es dabei vor ansonsten unvermeidlicher Streuung.“ Die unglaublich hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit macht es jedoch normalerweise nötig, mindestens eine der Raumrichtungen zu opfern um Licht in den verbleibenden Richtungen zu kontrollieren. Dementsprechend waren bisherige Ansätze der topologischen Photonik auf eindimensionale oder planare Anordnungen beschränkt.
Diese Einschränkungen wurden nun durch das schlagkräftige Forscherteam auf elegante Weise überwunden: durch die gezielte Platzierung eines schraubenförmigen Gitterdefekts. Diese spezielle Form einer Fehlstelle verbindet benachbarte Gitterebenen auf systematische Weise, die sich wie eine Wendeltreppe um eine zentrale Achse winden. Doktorand und Koautor Julius Beck führt aus: „Diesen Übergang zwischen einem lockeren Stapel aus einzelnen Ringen und einer durchgängigen Spirale haben wir genutzt, um den ersten 3D-topologischen Isolator für Licht herzustellen.“
Als Ergebnis der erfolgreichen internationalen Kollaboration im Rahmen des noch jungen Sonderforschungsbereiches „LiMatI“ stellt dieser wissenschaftlich-technologische Durchbruch einen wichtigen Schritt auf dem Gebiet der topologischen Photonik dar. Wenngleich es noch einige Hürden zu überwinden gibt, bis die hierbei gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich zum Einsatz kommen können, haben diese Entwicklungen enormes Potential für verschiedenste innovative Zukunftstechnologien wie beispielsweise kompakte dreidimensionale Schaltkreise für optische Quantencomputer und funktionalisierte optische Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften für hochempfindliche optische Sensoren.
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