Internationales Forschungsteam erzeugt bisher unbekannte Stickstoffverbindungen

Studie zeigt beispielhaft die großen, noch ungenutzten Potenziale der Hochdruckforschung für die Stickstoffchemie

13.12.2022 - Deutschland

Nichtmetallische Nitride sind Verbindungen, in denen Stickstoff und nicht-metallische Elemente durch kovalente Bindungen verknüpft sind. Wegen ihrer technologisch interessanten Eigenschaften sind sie immer mehr in den Fokus der Materialforschung gerückt. Ein internationales Team mit Forscher*innen der Universität Bayreuth stellt in der Zeitschrift „Chemistry – A European Journal“ bisher unbekannte, unter sehr hohen Drücken erzeugte Phosphor-Stickstoffverbindungen vor. Sie enthalten Struktureinheiten, deren Existenz zuvor nicht empirisch nachgewiesen werden konnte. Die Studie zeigt beispielhaft die großen, noch ungenutzten Potenziale der Hochdruckforschung für die Stickstoffchemie.

(c) Dominique Laniel

Erstmals empirisch nachgewiesen: die aus PN₆-Oktaedern bestehende Struktur des Phosphornitrids PN₂.

(c) Dominique Laniel

Ebenfalls ungewöhnlich: Die aus PN₄-Tetraedern zusammengesetzte Struktureinheit des Polymorphs α′-P₃N₅, einer bisher unbekannten Modifikation des Polynitrids P₃N₅.

(c) Dominique Laniel
(c) Dominique Laniel

Den Forscher*innen ist es gelungen, bei einem Druck von 72 Gigapascal eine bisher unbekannte Modifikation des Phosphornitrids P₃N₅, den Polymorph δ-P₃N₅, zu synthetisieren. Bei 134 Gigapascal bildete sich in der Diamantstempelzelle das Phosphornitrid PN₂. Beide Verbindungen sind als ultra-inkompressible Materialien klassifiziert, mit Volumenmodulen oberhalb von 320 Gigapascal. Eine wesentliche Ursache für diese extreme Festigkeit fanden die Forscher*innen durch Synchrotron-Röntgenbeugungsanalysen und Dichtefunktionaltheorie-Berechnungen heraus: Kristallstrukturen von δ-P₃N₅ und PN₂ bestehen aus einem dichten Netz von PN₆-Oktaedern, wobei jeweils ein Phosphor-Atom von sechs Stickstoff-Atomen umgeben ist. Bisher war die Existenz dieser Struktureinheiten nur vermutet worden, jetzt konnte sie erstmals empirisch nachgewiesen werden.

Der Polymorph δ-P₃N₅ wandelte sich bei einer Verringerung des Kompressionsdrucks in eine andere, ebenfalls bisher unbekannte Modifikation von P₃N₅: Bei sieben Gigapascal entstand der Polymorph α′-P₃N₅. Es handelt sich um ein neues festes Material, das unter normalen Umgebungsbedingungen stabil bleibt. Die Kristallstruktur dieses Phosphornitrids ist ebenfalls ungewöhnlich, da sie aus PN₄-Tetraedern zusammengesetzt ist: Im Zentrum dieser pyramidenförmigen Struktureinheiten befindet sich ein Phosphor-Atom, während die vier „Ecken“ jeweils mit einem Stickstoff-Atom besetzt sind. Im Vergleich mit dem bekannten Polymorph α-P₃N₅, der in der Forschung bereits als möglicher industrieller Werkstoff diskutiert wird, besitzt α′-P₃N₅ eine deutlich höhere Dichte. Er ist daher erheblich härter und im Hinblick auf potenzielle technische Anwendungen möglicherweise noch attraktiver.

Hochdruckforschung zu Nichtmetallnitriden kann das Verständnis der Stickstoffchemie erweitern

„Das α′-P₃N₅, das bei der Dekompression von δ-P₃N₅ entsteht, ist ein Beispiel dafür, wie Stickstoffverbindungen mit hochinteressanten Eigenschaften über den Umweg von Hochdruck-Synthesen entdeckt werden können. Weitere Untersuchungen sollten jetzt folgen, um potenzielle Anwendungen dieses neuen Materials auszuloten. Mit unserer Veröffentlichung wollen wir dazu anregen, die Hochdruck- und Hochtemperaturforschung zu Nichtmetallnitriden – die im Vergleich mit Metallnitriden bisher weitgehend vernachlässigt wurden – zu intensivieren. Neue Studien auf diesem spannenden Gebiet können das Verständnis der Stickstoffchemie bedeutend erweitern. Sie werden möglicherweise auch zur Entdeckung von recycelfähigen Materialien für Produkte des täglichen Lebens beitragen“, sagt die Bayreuther Kristallphysikerin Prof. Dr. Dr. h.c. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth, die die Forschungsarbeiten koordiniert hat.

Internationale Kooperation

An der neuen Studie waren zusammen mit dem Bayerischen Geoinstitut (BGI) und dem Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth zahlreiche weitere Forschungspartner beteiligt: die LMU München, die Universität Edinburgh, die Universität Linköping, die Shandong University in Jinan/China, das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg, die European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble sowie das Center for Advanced Radiation Sources an der Universität Chicago.

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