Spektroskopie in der Prozessanalytik

Schwerpunkt beim 8. Kolloquium in Berlin

27.11.2012 - Deutschland

Die Prozessanalytik hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie sorgt nicht nur für eine effiziente Qualitätssicherung, sondern hilft auch dem im Zuge der Globalisierung steigenden Kostendruck entgegenzuwirken. Der Arbeitskreis Prozessanalytik der Fachgruppe Analytische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und der DECHEMA legt bei seinem 8. Kolloquium am 3. und 4. Dezember 2012 in Berlin den Schwerpunkt auf ‚Spektroskopie und Sensorik in der Prozessanalytik‘. Auf der zweitägigen Veranstaltung, die gemeinsam von der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie der Firma Knick Elektronische Messgeräte durchgeführt wird, diskutieren die Teilnehmer über die Potenziale der Raman-Spektroskopie, über neue Entwicklungen in der Online-Ionenanalytik, bei Gas-Sensoren und über Prozessanalytik in der Biotechnologie.

Die Raman-Spektroskopie ist eine vielseitige analytische Methode, mit der Erkenntnisse über Materialeigenschaften wie Zusammensetzung, Temperatur oder Dotierung – wichtig beispielsweise für die Herstellung von Halbleitermaterialien – berührungslos und zeitnah im Prozess gewonnen werden. Auch die Kristalleigenschaften (Polymorphie) einer Verbindung, die beispielsweise bei pharmazeutischen Wirkstoffen eine große Rolle spielt, kann mit Hilfe dieser Spektroskopie-Methode untersucht werden. Vor diesem Hintergrund berichtet Dr. Tobias Merz, Lonza AG, über die Erfahrungen seines Unternehmens mit der Raman-Spektroskopie für die Prozessentwicklung und -pilotierung. Merz befasst sich also mit dem Einsatz dieser Methode beim Schritt vom Labor- in den Pilotmaßstab – grundsätzlich eine große Herausforderung auf dem Weg zur industriellen Produktion. Hier bietet die Raman-Spektroskopie aufgrund der direkten Vergleichbarkeit der Messergebnisse eine einfache Möglichkeit, das im Laborversuch gewonnene Prozessverständnis in die Pilotierung zu übertragen. Dadurch wird es möglich, Probleme aber auch Optimierungspotenziale bereits nach den ersten Fertigungschargen zu identifizieren. Neben den Vorteilen wird Merz zudem technische Herausforderungen wie Lasersicherheit, Robustheit und Bedienkomfort bei der Etablierung der Raman-Spektroskopie als Standardprozesstechnik in seinem Beitrag näher beleuchten.

Dr.-Ing. Clemens Minnich, S-PACT GmbH, befasst sich im Anschluss mit dem Einsatz von „Raman- und MIR-Spektroskopie für die Verfolgung technischer Bioprozesse“. MIR-Spektroskopie nutzt Licht im mittelinfraroten (MIR) Bereich und kann wie andere Infrarot-Spektroskopiemethoden – nahes (NIR) und fernes infrarot (FIR) – als wertvolle Ergänzung zur Raman-Spektroskopie eingesetzt werden. Unter Bioprozessen werden meist sowohl Prozesse mit Hilfe biologischer Stoffwechselwege als auch Prozesse auf Basis nachwachsender Rohstoffe zusammengefasst. Darunter fallen beispielsweise Fermentationen von Zucker oder cellulosehaltigen Pflanzenabfällen durch Mikroorganismen oder Enzyme zu höherwertigen Produkten wie Milch- oder Bernsteinsäure, die im Weiteren zu Polymeren verarbeitet werden können. Aber gerade in Bioprozessen mit wechselnden Qualitäten bei Einsatzstoffen und Mikroorganismen ist die Bestimmung von Werten wie Restsubstrat-, Produkt- oder Biomassegehalt im Fermenter aber auch der Reproduktionsrate der Mikroorganismen äußerst wichtig. Die gängigen Methoden zur Prozessanalyse sind dabei jedoch sehr aufwendig und kostspielig. Hier bietet die Raman-Spektroskopie aufgrund ihrer einfacheren Prozessintegration durch verwendbare längere Lichtleiter und dem Umstand, dass keine Detektorkühlung notwendig ist, eine sehr gute Alternative. Sie konnte ihren erfolgreichen Einsatz in Bioprozessen bereits unter Beweis stellen, wie Minnich in seinem Beitrag ausführen wird.

Zum Abschluss des Kolloquiums wird der Vorsitzende des Arbeitskreises Prozessanalytik, Professor Dr. Rudolf Kessler, Hochschule Reutlingen, einen Vortrag über „Perspektiven für die Prozessanalytik“ geben. Nach aktuellen Untersuchungen scheuen sich viele Unternehmen PAT (Process Analytical Technology, so der englische Begriff) einzusetzen, und zwar aufgrund der benötigten Ressourcen an Fachpersonal und technischen Investitionen. Kessler wird in seinem Beitrag zeigen, dass sich PAT jedoch rechnet, sobald man konsequent gegen die Lebenszykluskosten der Produkte und nicht gegen die reinen Investitionskosten rechnet. Dies ist umso relevanter, als sich in den kommenden Jahren der Trend verstärken wird, nicht nur die chemische Reaktion selbst, sondern auch vor- und nachgelagerte Prozesse messtechnisch zu begleiten. Besonders wird dies durch den zunehmenden Einsatz von biobasierten, nachwachsenden Rohstoffen befördert. Diese Ausgangsstoffe unterliegen einer stärkeren natürlichen Qualitätsschwankung und erfordern daher eine ganzheitlichere Überwachung des Produktionsprozesses. Darüberhinaus wird Kessler auf die sogenannte PAT-Initiative der US-amerikanischen Regulierungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) eingehen. Die Initiative hat seit ihrer Präsentation 2004 bereits zu intensiven Diskussionen und verstärkten Forschungsaktivitäten sowie einem neuem Bewusstsein für Prozessanalytik im regulierten Umfeld geführt. Der Vortragende erläutert in Berlin zudem, wie eine konsequente Umsetzung des PAT-Ansatzes genutzt werden könnte, um zukünftig auf Freigabeanalytik oder Qualitätskontrollen der hergestellten Produkte verzichten und so deutliche Kosteneinsparungen erzielen zu können. Solch umfassende Veränderungen des bestehenden Systems würden allerdings einen Paradigmenwechsel erfordern. Kessler geht zudem auf Einsatzmöglichkeiten der PAT in der Biotechnologie, der Medizintechnik und der Diagnostik ein. Doch bei allen Chancen, die sich bieten, gibt es doch ein Problem: Den Mangel an ausgebildeten Prozessanalytikern. „Aus diesem Grund ist es unumgänglich, ein neues Konzept der Fort- und Weiterbildung für die Industrie zu entwickeln und gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Universitäten und der Industrie zu stärken. Wichtig ist dabei, den Trialog zwischen Hochschulen, Geräteherstellern und Endnutzern zu fördern und dieses Wissen in alle Bereiche des betrieblichen Alltags zu integrieren“ so Kessler.

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