Computersimulation enthüllt neue Seite der Kavitation
Ansatz gegen Verschleiß in Pumpen und Gleitlagern
Eine bisher unbekannte Entstehungsweise von Kavitationsblasen haben Forscher mit Hilfe einer Modellrechnung entdeckt. In der Fachzeitschrift Science Advances beschreiben sie, wie Öl-abstoßende und Öl-anziehende Oberflächen auf einen vorbeiströmenden Ölfilm wirken. Je nach Viskosität des Öls bildet sich am Übergang eine Dampfblase. Diese sogenannte Kavitation kann Material schädigen etwa bei Schiffsschrauben oder Pumpen. Sie kann aber auch einen positiven Effekt haben, in dem sie für Abstand zwischen Bauteilen sorgt und damit Schädigung vermeidet.

Eine Kavitationsblase entsteht im Schmiermittel zwischen Öl-anziehender (gelb) und Öl-abstoßender Fläche (schwarz). Als Puffer könnte sie Verschleiß reduzieren.
KIT
Die Material- und Reibungsforscher wollten wissen, welchen Einfluss chemisch unterschiedliche Oberflächen auf das Fließverhalten eines Schmierstoffs haben. Insbesondere interessierte sie das Verhalten in nanometerbreiten Schmierspalten, einem kritischen Fall nah an der Grenzreibung, das heißt kurz vor dem direkten Kontakt zwischen Oberflächen. Dazu stellten sie ein mathematisches Modell auf, in welchem sie die Viskosität des Schmierstoffs und die Oberflächeneigenschaften der Wände variierten. „Wir waren sehr überrascht, dass in der Simulation dann am Übergang der Oberflächen – also der Grenze zwischen Öl-anziehend und Öl-abstoßend – Kavitation entsteht“, berichten Dr. Lars Pastewka und Prof. Peter Gumbsch vom Institut für Angewandte Materialien des KIT.
Kavitation ist ein bekanntes und wegen seiner zerstörerischen Kraft gefürchtetes, physikalisches Phänomen. „Bisherige Kavitationsmodelle gehen von einer bestimmten Geometrie aus, die Kavitation hervorruft, wie zum Beispiel eine Engstelle in einer Pumpe oder eine Schiffsschraube, die hohe Strömungsgeschwindigkeiten verursacht“, erklärt Pastewka. Dabei gilt das physikalische Gesetz von Bernoulli, dass der statische Druck einer Flüssigkeit umso geringer ist, je schneller sie strömt. Fällt dabei der statische Druck unter den Verdampfungsdruck der Flüssigkeit, bilden sich Dampfblasen. Steigt der Druck wieder – zum Beispiel wenn die Flüssigkeit nach einer Engstelle in einer Pumpe wieder langsamer fließt – kondensiert der Dampf in den Blasen schlagartig und sie implodieren. Die dabei entstehenden extremen Druck- und Temperaturspitzen führen zu typischen Kavitationskratern und erheblicher Erosion selbst in gehärtetem Stahl.
„Diese schlagartige Implosion der Dampfblasen passiert aber in den meisten geschmierten Tribosystemen nicht“, betont Dr. Daniele Savio, der mittlerweile am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg forscht. „Da der Fluidspalt zwischen aneinander reibenden Oberflächen in der Regel sehr dünn ist, können die Kavitationsblasen nicht stark wachsen und bleiben deswegen stabil. Die Kavitationsblase hat dann keine schädliche Wirkung und dient sogar als Puffer zwischen den Oberflächen, was Reibung und Verschleiß reduziert. Deswegen ist es wichtig, diesen positiven Effekt kontrolliert zu generieren“, erklärt er.
In ihrem Simulationsmodell belegen Savio und seine Kollegen nun, dass auch chemisch wechselnde Oberflächen zu Kavitationsblasen führen können. Sie stellen in ihrer Publikation die Frage, ob Kavitation in Situationen, wo ein Schmierstoff zwischen zwei Oberflächen strömt, die Norm ist und nicht die Ausnahme. „Denn üblicherweise sind Oberflächen, wie sie in Motoren oder Zylindersystemen vorkommen, nie homogen – also nur Öl-anziehend oder Öl-abstoßend“, betont Savio. „Der von uns berechnete Effekt könnte daher überall in geschmierten Motoren und Pumpen entstehen, wo wechselnde Oberflächeneigenschaften aneinandergrenzen.“
Kavitation wurde bisher ausschließlich als geometrischer Effekt betrachtet, der durch Scherkräfte, Fließgeschwindigkeit und Druckunterschiede entsteht, beschreiben die Forscher die Situation. „Dass Kavitation auch an Übergängen von wechselnden Oberflächeneigenschaften entstehen kann, ist komplett neu“, hebt Pastewka hervor. Durch ein gezieltes Einstellen der Oberflächenchemie, so sind sich die Forscher sicher, könnte man die Wechselwirkung zwischen Oberfläche und Schmierstoff erheblich verbessern. In den Modellsimulationen konnte man eine Verbesserung der Oberflächentrennung um 10 Prozent beobachten.
„Zusätzliche 10 Prozent Abstand erlauben beispielsweise in Gleitlagern höhere Normalkräfte und Lasttragfähigkeiten bei ansonsten gleichen Bedingungen“, überlegt Savio. In jedem Fall, da sind sich die Wissenschaftler einig, muss die Oberflächenchemie als Designelement im Maschinenbau nun neu bewertet werden.
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Diese Produkte könnten Sie interessieren

Typ CNF / Typ CAM von Hermetic-Pumpen
Zuverlässige Pumpentechnologie für gefährliche Anwendungen
Wellendichtungsfreie Pumpen für höchste Zuverlässigkeit und Sicherheit

peristaltische Pumpen von AHF analysentechnik
Zuverlässiger und pulsationsarmer Flüssigkeitstransport in der Laboranalytik

AZURA Analytical HPLC von KNAUER
Maximieren Sie Ihre Analyseeffizienz mit maßgeschneiderten HPLC-Systemlösungen
Lassen Sie Ihre Anwendung Ihre analytische Systemlösung definieren

Holen Sie sich die Chemie-Branche in Ihren Posteingang
Mit dem Absenden des Formulars willigen Sie ein, dass Ihnen die LUMITOS AG den oder die oben ausgewählten Newsletter per E-Mail zusendet. Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Die Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch die LUMITOS AG erfolgt auf Basis unserer Datenschutzerklärung. LUMITOS darf Sie zum Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung per E-Mail kontaktieren. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen gegenüber der LUMITOS AG, Ernst-Augustin-Str. 2, 12489 Berlin oder per E-Mail unter widerruf@lumitos.com mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Zudem ist in jeder E-Mail ein Link zur Abbestellung des entsprechenden Newsletters enthalten.
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Zuletzt betrachtete Inhalte

Chemiker entwickeln Reaktionskaskade zur Herstellung fluorierter Moleküle - „Molekulares Origami“ erzeugt neue Strukturen in einem Arbeitsschritt
Balmer-Serie
Perstorp gibt den Verkauf des Geschäftsbereichs BioProducts bekannt

Qualitätskontrolle für Quantensimulatoren

Start-ups in Hamburg: Fachkräftemangel bremst Wachstum - Zufriedenheit mit Gründerstandort Hamburg grundsätzlich hoch
Palmitoylierung

Auf dem Weg zu einem umweltfreundlichen Verfahren zur Herstellung von Ammoniak - Elektrokatalytische Ammoniak-Synthese

Perspektivwechsel im Elektronengebirge - In Bismut gilt das gängige elektronische Modell für Metalle nicht
Süd-Chemie will aus eigener Kraft weiter wachsen
Frost & Sullivan: Steigende Energiekosten stimulieren Nachfrage nach elektrischen Mikroantrieben - Kompakte und integrierte Pakete haben Zugkraft bei den OEMs
Nitrate
