Gefesselte Elektronen

Max-Planck Wissenschaftler beweisen, dass Elektronen Zustände oberhalb des Vakuum-Niveaus besetzen

31.03.2006

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle haben Elektronen in einem Kupferplättchen mit Laserlicht angeregt, so dass sie ins Vakuum hätten sausen müssen. Als seien sie gefesselt konnten sie sich aber nicht aus dem Metall lösen. Für einige Elektronen könnte das zum Beispiel bedeuten, dass sie knapp über der Metall-Oberfläche schweben. Damit haben die Physiker bewiesen, dass sich Elektronen tatsächlich in Zuständen aufhalten, die sie bislang nur für virtuell hielten. Ganz nebenbei erweitern die Forscher mit ihren Experimenten Einsteins nobelpreisgekrönte Theorie der Photoemission.

Selbst einem so gut untersuchten Metall wie Kupfer können Physiker heute noch Geheimnisse entlocken. Francesco Bisio und Miroslav Nývlt, Gastforscher am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle, haben jetzt in einem Kupferplättchen Elektronen in Zuständen beobachtet, die sie bislang nur für mathematische Konstrukte der Quantentheorie hielten. Diese Zustände liegen oberhalb des Vakuumniveaus - jener Energie, die ein Elektron mindestens braucht, um dem Metallgitter zu entkommen und in die Freiheit zu sausen. Die Elektronen entwischten aber nicht, sondern blieben an das Metall gefesselt.

"Meine beiden Kollegen haben jetzt gezeigt, dass diese Zustände nicht nur virtuell, sondern real sind - wenn auch sehr kurzlebig", sagt Jürgen Kirschner, Direktor am Max-Planck-Institut in Halle und Leiter der Gruppe, in der Bisio und Nyvlt gearbeitet haben. Dass Elektronen tatsächlich auch solche ungewöhnlichen Zustände annehmen, hat mit einer Eigenheit der Quantentheorie zu tun: In ihr ist beinahe alles möglich. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für viele denkbare Ereignisse nur verschwindend klein. So auch dafür, dass Physiker Elektronen ins energetische Nirgendwo befördern können. Ob sie das schaffen, hängt auch davon ab, mit wie vielen Photonen sie die Elektronen befeuern.

Ist die Zahl der Photonen, also die Intensität des eingestrahlten Lichtes, nur groß genug, interagieren einige Photonen auch so mit den Elektronen, dass diese in einem Zustand landen, in dem sie dem Metall eigentlich entwischen müssten - aber doch nicht loskommen. Genau diese Erkenntnis kollidiert mit Einsteins Theorie des Photoeffekts. Einstein stellte nämlich fest, dass nur die Farbe (entsprechend die Energie) des Lichts und nicht seine Intensität darüber entscheidet, ob es Elektronen aus einem Metall katapultieren kann. Albert Einstein kannte jedoch noch keine Laser. Sie liefern Lichtpulse von so hoher Intensität, dass Phänomene auftreten, die Physiker Effekte höherer Ordnung oder nichtlineare Effekte nennen.

Pikanterweise verwenden die Hallenser Physiker Laserlicht, dessen Energie nach Einstein nicht ausreicht, um ein Photon aus dem Kupfer zu schlagen. Die Elektronen fangen aber mehrere Photonen gleichzeitig ein und sammeln so die nötige Energie, um dem Metall zu entwischen. Dieses Phänomen ist sehr unwahrscheinlich. Francesco Bisio und Miroslav Nyvlt konnten es nur beobachten, weil sie sehr intensive Lichtpulse einstrahlten. "Ein kurioser Gedanke: Nichtlineare Effekte der Quantentheorie ermöglichen Phänomene, die die klassische Physik als lineare Effekte darstellte und die seit Einstein und Planck als physikalische Unmöglichkeit gelten", sagt Kirschner.

Neben der hohen Intensität nutzten Bisio und Nyvlt einen Trick: Sie feuerten nicht wahllos mit dem Laser auf die Kupferoberfläche; vielmehr wählten sie sorgfältig den Winkel, in dem sie die Lichtwellen auf das Metall treffen ließen. Entscheidend war dabei die Schwingungsrichtung des Lichts, dessen Wellen in einem Laser alle parallel laufen. Erreichten die Lichtwellen das Kupfer in einem bestimmten Winkel, gaben sie den Elektronen zwar einen kräftigen Schub. Der beschleunigte die Elektronen aber nicht von der Metalloberfläche weg, sondern parallel zu ihr. Die Elektronen bewegten sich also heftig, jedoch nur in einer Ebene über dem Kupferplättchen.

Originalveröffentlichung: F. Bisio, M. Nývlt, J. Franta, H. Petek, J. Kirschner; "Mechanisms of High-Order Pertubative Photoemission from Cu(001)"; Physical Review Letters 2006.

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