Das Neutrino - sein eigenes Antiteilchen?
Das Gerda-Experiment beginnt die Suche nach neutrinolosem Doppel-Betazerfall
Das GERDA-Experiment (Germanium Detector Array) wurde am 9. November 2010 in einem Labor unter dem italienischen Gran-Sasso-Massiv eingeweiht. Mit einem radioaktiven Zerfall in dem Metall Germanium wollen Physiker die Frage klären, ob das Neutrino sein eigenes Antiteilchen ist. Dann könnten sich Neutrinos untereinander gegenseitig vernichten, analog etwa zu einem Proton und einem Antiproton. Mit dem Experiment wollen die Forscher ferner die Masse des schwer nachweisbaren Teilchens direkt bestimmen.

Gerda im Aufbau: Der Blick in den leeren Wassertank zeigt den doppelwandigen Kryostaten. Inzwischen haben die Forscher ihn mit Argon gefüllt und die Germaniumdetektoren in das flüssige Edelgas hinabgelassen. Die Wände des Wassertanks sind mit reflektierender Folie überzogen und mit Lichtsensoren bestückt, die Störsignale registrieren.
Max-Planck-Gesellschaft
Germanium-Kristalle im Zentrum eines großen Volumens flüssigen Argons, umgeben von einem wassergefüllten Tank von zehn Meter Durchmesser; das Ganze untergebracht in den Räumen des weltgrößten Astroteilchenlabors, des italienischen Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, unter 1400 Meter Fels des Gran-Sasso-Massivs im Herzen Italiens.
Gerda ist für die Suche nach einem spontanen Zerfallsprozess der Materie ausgelegt, der nur extrem selten auftritt: der neutrinolose Doppel-Betazerfall, wie er in der Fachsprache der Physiker heißt. Damit er möglich ist, muss das Neutrino - wie theoretisch erwartet - mit seinem eigenen Antiteilchen identisch sein. Selbst wenn dies der Fall ist, wäre doch der Zerfall so selten, dass es einer langen, sorgfältigen und ausgefeilten Beobachtung bedarf, um ihn nachzuweisen. Es ist wie ein einzelner unauffälliger und sehr leiser Ton in einem Konzert, der nur zu leicht von Hintergrundgeräuschen überdeckt wird - und hierzu bedarf es einer perfekten, nach außen abgeschirmten Akustik: kein Zivilisationslärm darf nach innen dringen, und sämtliche Technik muss geräuschlos funktionieren.
Gleiches gilt für das Gerda-Experiment. In seiner "Akustik", mit einer gleich einer Matrjoschka-Puppe ineinander geschachtelten Anordnung, schützen flüssiges Argon, hochreines Wasser und massiver Fels den charakteristischen Ton des Zerfalls vor der Kakophonie aus Milliarden von Teilchen aus den Tiefen des Universums, dem Gestein des Massivs und der Detektorstruktur selbst. Der kosmische "Hintergrundlärm" wird vom Gebirge über dem Labor abgefangen und die geschachtelte Struktur schirmt die Kristalle gegen die Strahlung aus dem Gestein und den großen Detektorstrukturen ab.
Der neutrinolose Doppel-Betazerfall gibt den Wissenschaftlern eine ganz wesentliche Information. Denn, so beobachtet, würde er die eigentümliche Eigenschaft des Neutrinos, sein eigenes Antiteilchen zu sein (Majorana-Neutrino) bestätigen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Physik der Elementarteilchen, Astrophysik und Kosmologie.
Gerda ist eine internationale Kollaboration unter Beteiligung von 15 Instituten aus Deutschland, Italien, Russland, der Schweiz, Polen und Belgien. Das Experiment startet mit acht Detektoren von jeweils zwei Kilogramm Masse und der Größe einer Getränkedose. In einer zweiten Phase wird es mit weiteren Detektoren ausgestattet. Die Detektoren bestehen aus hochreinen Germanium-Einkristallen, die mit dem Isotop Germanium 76 angereichert sind. Die beim Doppel-Betazerfall dieses Isotops ausgesendeten Elektronen geben ihre Energie unmittelbar in dem Kristall ab, der somit für diesen Zerfall zugleich als Quelle und Detektor dienen kann. Die Gerda-Kristalle sind in einem sechs Meter hohen und vier Meter weiten Tank (Kryostat), gefüllt mit flüssigem Argon (Temperatur186°C) aufgehängt. Der Kryostat wiederum befindet sich in einem neun Meter hohen Wassertank von 10 Meter Durchmesser, der für weitere Abschirmung sorgt.
Neben den Photonen sind Neutrinos die häufigsten Teilchen im Universum. Jedoch sind sie zugleich sehr schwer nachweisbar, da sie nur schwach mit der übrigen Materie wechselwirken. Allgemeine theoretische Überlegungen der Elementarteilchenphysik sagen voraus, dass Neutrinos mit ihren eigenen Antiteilchen identisch sind und eine sehr kleine, aber dennoch endlich große Masse besitzen. Das Gerda-Experiment hat nun das Ziel, diese Eigenschaften zu überprüfen, indem nach dem sehr seltenen neutrinolosen Doppel-Betazerfall gesucht wird. In diesem Zerfall wandeln sich zwei der Neutronen eines Germanium-Atomkerns in zwei Protonen um, wobei zwei Elektronen und zwei Neutrinos entstehen. Sind nun letztere ihre eigenen Antiteilchen, so können sie sich intern gegenseitig auslöschen und es werden lediglich die Elektronen freigesetzt. Die Beobachtung eines solchen neutrinolosen Doppel-Betazerfalls würde die Majorana-Eigenschaft des Neutrinos bestätigen und direkt die Bestimmung seiner Masse erlauben. Der Wert dieser Masse ist von großer Bedeutung für die Astrophysik (z. B. für Supernova-Explosionen) und kosmologische Modelle, speziell, was die Asymmetrie von Teilchen und Antiteilchen im frühen Kosmos sowie die Bildung von Galaxien und Galaxienhaufen angeht.
Meistgelesene News
Themen
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Diese Produkte könnten Sie interessieren

miniDAWN von Wyatt Technology
Die perfekte Wahl für die Charakterisierung von Proteinen und Polymeren: das neue miniDAWN
miniDAWN – Statische Lichtstreuung (SLS) für die Bestimmung absoluter Molmassen

DAWN® von Wyatt Technology
Das Instrument für Mehrwinkel-Lichtstreuung (MALS): Das DAWN von Wyatt Technology
Weltweit führende Lichtstreu-Instrumente für die absolute Charakterisierung von Makromolekülen

AZURA Analytical HPLC von KNAUER
Maximieren Sie Ihre Analyseeffizienz mit maßgeschneiderten HPLC-Systemlösungen
Lassen Sie Ihre Anwendung Ihre analytische Systemlösung definieren

Holen Sie sich die Chemie-Branche in Ihren Posteingang
Mit dem Absenden des Formulars willigen Sie ein, dass Ihnen die LUMITOS AG den oder die oben ausgewählten Newsletter per E-Mail zusendet. Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Die Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch die LUMITOS AG erfolgt auf Basis unserer Datenschutzerklärung. LUMITOS darf Sie zum Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung per E-Mail kontaktieren. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen gegenüber der LUMITOS AG, Ernst-Augustin-Str. 2, 12489 Berlin oder per E-Mail unter widerruf@lumitos.com mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Zudem ist in jeder E-Mail ein Link zur Abbestellung des entsprechenden Newsletters enthalten.
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Zuletzt betrachtete Inhalte
Heraeus stellt sich für zukünftiges Wachstum auf - Umsatz und operatives Ergebnis 2014 auf Vorjahresniveau
Entflammbarkeit
Irreversibilität

Why Doesn’t Honey Spoil?
Talose
Kategorie:Varietät_(Mineralogie)
Sogdianit
Azotierung
