Plastik wächst auch im Wald und auf der Wiese

15.01.2013 - Deutschland

(dpa) Der neue Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft verblüfft manchen Besucher mit einem Plastik-Kugelschreiber als Geschenk. «Der Kunststoff ist aus Holz», erklärt Reimund Neugebauer und lacht. Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen statt aus Erdöl kommt langsam auf den Markt. Joghurtbecher aus Maisstärke oder Cola-Flaschen aus Zuckerrohr haben schon den Weg in die Supermärkte gefunden.

Ein Bundesbürger verbraucht durchschnittlich 110 Kilogramm Kunststoff im Jahr. Weltweit werden etwa 265 Millionen Tonnen hergestellt, nur ein halbes Prozent davon ist Bioplastik. «Bei weitem noch kein Massenmarkt. Aber über die Experimentierstufe sind wir schon hinaus», sagt Katja Schneider, Projektleiterin bei der deutschen Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow bei Rostock.

Zu den Pionieren gehört die von zwei ehemaligen Fraunhofer-Forschern gegründete Firma Tecnaro bei Heilbronn. Hier wird aus dem bei der Papierherstellung übrig bleibenden Lignin, Pflanzenfasern und Wachs sogenanntes Flüssigholz gemacht, das sich mit Spritzgießmaschinen beliebig formen lässt. Einer der Kunden ist der Luxusmode-Hersteller Gucci: Für die umweltbewusste Dame von Welt erschuf er Öko-Pumps mit Absätzen aus Biokunststoff.

Inzwischen werden auch Kleiderbügel für Benetton oder Leuchtstifte für Edding daraus gefertigt, wie Entwicklungschef Lars Ziegler berichtet. Für den Versand von Solarmodulen seien schon Millionen Verpackungsecken hergestellt worden. «Wir schreiben schwarze Zahlen, die Entwicklung ist positiv, in den letzten vier Jahren hat sich der Umsatz verdreifacht.»

Aber auf vielen Gebieten haben herkömmliche Kunststoffe aus Mineralöl noch die Nase vorn. Ein Beispiel: Bruchsicherheit bei Kinderspielzeug. «Wenn ein Spielzeugauto auf den Boden geworfen wird, dürfen keine spitzen Teile absplittern», sagt Playmobil-Sprecherin Judith Weingart im fränkischen Zirndorf. «Da fehlen noch Biomaterialien, die so sicher sind wie die bisherigen Kunststoffe.» Außerdem seien die Kosten und die Ausschussquote beim Spritzgießverfahren wesentlich höher. Und schließlich gebe es Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen noch nicht in der benötigten Menge.

«Einige Werkstoffe haben noch nicht so optimale Eigenschaften», sagt auch Schneider. Bei anderen seien die Probleme gelöst und die Maschinen darauf eingestellt. Bio-PET aus Zuckerrohr etwa habe dieselbe Qualität wie PET aus Erdöl - auch die Weltmarke Coca-Cola fülle in solche Flaschen ab.

Eine Hürde sei auch der Preis einiger Bio-Kunststoffe. «Aber viermal so teuer ist es bei weitem nicht mehr. Die Schere geht weiter zusammen», sagt Schneider. Und irgendwann sei das Erdöl alle: «Dann ist das eigentlich die einzige Alternative».

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