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Nukleophile Substitution



Die nukleophile Substitution ist ein wichtiger Reaktionstypus in der organischen Chemie. Hierbei reagiert ein Nukleophil in Form einer Lewis-Base (Elektronenpaardonator) mit einer organischen Verbindung vom Typ R-X (R bezeichnet einen Alkyl- oder Arylrest, X ein elektronenziehendes Heteroatom). Das Heteroatom wird dabei durch das Nukleophil ersetzt (siehe Substitution (Chemie)).

Auch in der Anorganischen Chemie ist dieser Typus anzutreffen, ein Beispiel ist die Hydrolyse von Siliciumtetrachlorid.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Kennzeichen

Nukleophile Substitutionsreaktionen werden meistens in Lösung durchgeführt. Dabei sind die Polarität des Lösungsmittels sowie auch die Substituenteneinflüsse in den Edukten von entscheidender Bedeutung für die Geschwindigkeit der Reaktion. Wenn das Lösungsmittel selbst der nukleophile Reaktionspartner ist, spricht man von einer Solvolyse.

Edukte

Nukleophile

Als Nukleophile können die verschiedensten Verbindungen eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um elektronenreiche Moleküle, die meist Atome mit freien Elektronenpaaren enthalten (siehe unten: Beispiele).

Typ R-X

Das angegriffene Molekül R-X zeichnet sich durch eine stark polare Bindung aus (ungleiche Verteilung der Elektronendichte), z.B C-Cl, C-Br, C-O, C=O, Si-Cl.

In folgenden Verbindungen kann das Heteroatom beziehungsweise die Heteroatom-haltige Gruppe durch ein Nukleophil substituiert werden:

Mechanismen

Nukleophile Substitutionen werden bei aliphatischen und aromatischen Verbindungen beobachtet: Es gibt aliphatische nukleophile Substitutionen und aromatische nukleophile Substitutionen.

Darüber hinaus werden die Reaktionen aufgrund der Molekularität in verschiedene Gruppen eingeteilt. Das heißt, die Reaktionen werden danach eingeordnet, wie viele Moleküle am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Reaktion beteiligt sind. Die nachfolgend beschriebenen Mechanismen SN1 und SN2 sind als Extremfälle der nukleophilen Substitution aufzufassen. Der Übergang dazwischen ist fließend.

Der SNi-Mechanismus ist ein Spezialfall, der gesondert diskutiert wird.

Aromatische nukleophile Substitutionen laufen meistens nach dem sogenannten Zwischenzustands-Mechanismus ab. Zusätzlich ist ein sogenannter Dehydrobenzol-Mechanismus bekannt.

SN1-Mechanismus

SN1 steht für eine nukleophile Substitution mit einem monomolekularen Mechanismus (ein Molekül ist am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt beteiligt). Der Reaktionsverlauf ist zweistufig.

Im ersten Schritt wird aus der Verbindung R-X die Gruppe X als Anion freigesetzt. Zurück bleibt ein Carbokation (Carbokation = Carbeniumion) (R+). Danach erfolgt der Angriff des elektronenreichen Nukleophils unter Bildung des Produkts. Die Reaktion ist damit beendet, sie findet bevorzugt in polaren protischen Lösungsmitteln und bei Verbindungen, die relativ stabile Carbokationen bilden (tertiäre Kohlenstoffatome), statt. Außerdem wird der SN1-Mechanismus durch eine relativ kleine Anfangskonzentration der Edukte begünstigt. Das Nucleophil ist nicht am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt beteiligt (=> Vgl. SN2), stehen aber mehrere Nucleophile zur Verfügung, so findet man im Produkt überwiegend das stärkere Nucleophil wieder.


Stereochemie

Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt beim SN1-Mechanismus ist die Bildung des idealerweise planaren Carbokations. Die Konfiguration der Ausgangsverbindung wird dadurch aufgehoben.

Theoretisch ist nun der nachfolgende Angriff des Nukleophils von beiden Seiten möglich. Ein racemisches Produkt wäre die Folge, da der Angriff von der der austretenden Gruppe gegenüberliegenden Seite einen Konfigurationswechsel (Inversion), der von derselben Seite die Erhaltung der Konfiguration (Retention) zur Folge hätte. Die abgehende Gruppe kann sich jedoch vor dem nucleophilen Angriff nicht ausreichend entfernen und stellt so für das angreifende Nucleophil eine Behinderung dar. Dies führt zu einer verstärkten Inversion der Konfiguration.

Beobachtet wurden bei Reaktionen nach SN1 jedoch alle stereochemischen Möglichkeiten von vollständiger Inversion bis zur Racemisierung.

SN2-Mechanismus

Eine nukleophile Substitution mit einem bimolekularen Mechanismus wird kurz mit SN2 bezeichnet und verläuft einstufig. Der nukleophile Angreifer (auch Nukleophil) nähert sich dem positiven Kern und es bildet sich eine trigonale Bipyramide mit schwachgebundenen axialen Liganden. Es folgt Inversion (bei chiralen Molekülen: Walden-Umkehr). In dem Maße, wie sich das Nukleophil dem Kern nähert, entfernt sich das abgehende Teilchen oder die substituierte Gruppe bis schließlich die Abgangsgruppe das Molekül verlässt.
Diese Substitution findet bevorzugt in unpolaren aprotischen Lösungsmitteln und an primären Kohlenstoffatomen statt (da es bei tertiären Kohlenstoffatomen zu einer sterischen Hinderung kommt). Außerdem wird der SN2-Mechanismus durch eine relativ große Anfangskonzentration der Edukte begünstigt.
Beispiel:
CH3Br + OH- → CH3OH + Br-


SNi-Mechanismus

Die Gewinnung von Alkylchloriden durch nukleophile Substitution von Alkanolen mit Thionylchloriden erfolgt nach einem sogenannten SNi-Mechanismus.

Nachbargruppenbeteiligung

Nucleophile Substitutionen können auch durch molekülinterne Prozesse gesteuert werden. So kann es zu einer Beteiligung, der schon am betrachtetem Kohlenwasserstoff gebundenden Substituenten kommen. Hierbei fungiert die Nachbargruppe (Substituent) als Nucleophil, welches über einen Rückseitenangriff die Abgangsgruppe abspalten lässt. Es bildet sich übergangsweise ein zyklisches System. Ein solcher Zyklus kann einerseits durch eine hohe Ringspannung (kleine Ringe) oder andererseits durch einen Angriff eines externen Nucleophils geöffnet werden. Im zweiten Fall wird demnach unter zweifacher Inversion das Retentionsprodukt erhalten.

Beispiele

Substitution am Alkylkohlenstoff/Arylkohlenstoff

Sauerstoff als Nukleophil



  • Aliphatische Ether und Phenolether können durch nukleophile Substitution von Chlorid durch Alkoholate an Alkyl- oder Arylchloriden gewonnen werden. Diese Reaktion wird auch als Williamsonsche Ethersynthese bezeichnet.



  • Arylchloride reagieren mit Cyanat zu Arylcyanaten und Chlorid:


Stickstoff als Nukleophil

  • Zur Gewinnung sekundärer Amine wird die Reaktion nicht in Ammoniak sondern mit einem weiteren Amin als Lösungsmittel durchgeführt (→ Aminolyse).
  • Tertiäre Amine entstehen durch die Umsetzung mit einem sekundären Amin, Tetraalkylammoniumsalze durch die Umsetzung mit einem tertiären Amin.


  • Mit 2 H2O kann man den Rest R wieder abspalten.

Schwefel als Nukleophil

  • Mit Thioharnstoff reagieren Alkylhalogenide zu Isothiuronium-Salzen.

Halogenide als Nukleophil

  • Werden Alkyl- oder Arylchloride beziehungsweise -bromide mit einem Überschuss an Fluorid (in polaren, aprotischen Lösungsmitteln) oder Iodid (in Aceton) umgesetzt, entstehen aliphatische oder aromatische Fluoride oder Iodide. Die Reaktion mit Iodid wird als Finkelstein-Reaktion bezeichnet.

Carbanionischer Kohlenstoff als Nukleophil

Phosphor als Nukleophil

  • Alkylchloride reagieren mit Alkyl- oder Arylphosphanen zum entsprechenden Phosphoniumsalz. Aus organischen Phosphoniumsalzen werden die Olefinierungsreagenzien für die Wittig-Reaktion gewonnen.


Hydrid als Nukleophil


Substitution am Acylkohlenstoff

Öffnung von Oxiran-, Thiiran- und Aziridin-Ringen

Veresterung von Malonsäure

Siehe auch

Nukleophilie, Elektrophilie, Substitution (Chemie), Namensreaktion, Kornblum-Regel

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Nukleophile_Substitution aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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