Chemiker entwickeln neues Verfahren zur Herstellung ringförmiger Moleküle

Photokatalyse als Schlüssel

11.07.2023 - Deutschland
© WWU – AG Glorius

Der Versuchsaufbau – für die Photokatalyse nutzte das Forschungsteam sichtbares Licht.

Die meisten auf dem Markt befindlichen Arzneimittel bestehen aus zyklischen (ringförmigen) Molekülen, von denen viele mehrere Ringe enthalten. Die Entwicklung einfacher und leistungsfähiger Methoden für die Konstruktion wichtiger und neuer Ringsysteme bleibt eine Aufgabe und Herausforderung für Chemiker, um Wirkstoffe effizienter herzustellen und neue Wirkstrukturmotive zu ermöglichen. Eine zunehmend populäre Strategie besteht darin, Ringsysteme durch das sogenannte strukturelle Editing abzuwandeln. Dabei wird das Gerüst von Molekülen in einem späten Stadium der Synthese leicht verändert, ähnlich wie Fehler beim Korrekturlesen eines Textes korrigiert werden. Einem internationalen Team von Chemikern unter der Leitung der Professoren Frank Glorius (Universität Münster) und Kendall N. Houk (University of California, Los Angeles, USA) ist es nun mit dieser Methode erstmals gelungen, einen viergliedrigen Molekülring in einen größeren, aromatischen Ring einzufügen, wodurch ein strukturell komplexes bizyklisches Ringsystem entstand. Diese neue Strategie hat das Team in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.

„Die von uns erzielte Veränderung des ursprünglichen Ringsystems ist erstaunlich. Das Einfügen eines Rings in einen Ring könnte als Blaupause für weitere Entwicklungen dienen“, unterstreicht Frank Glorius. Dr. Huamin Wang, Erstautor der Arbeit aus der münsterschen Gruppe, ergänzt: „Auch die einfachen und milden Bedingungen machen diese Reaktion vielversprechend für mögliche Anwendungen.“

Um eine Struktureditierung durchführen zu können, muss mindestens eine chemische Bindung des Molekülrückgrats selektiv gespalten werden. Ein modernes Werkzeug, das die erforderliche Energie und Selektivität liefert, ist die Photokatalyse mit sichtbarem Licht. Das Forschungsteam setzte die sogenannte Photoredox-Katalyse ein. Dieser Zweig der Photokatalyse nutzt den Transfer einzelner Elektronen. Dabei nimmt der Photokatalysator die Energie der Lichteinstrahlung auf und „aktiviert“ das Substrat durch die Übertragung eines Elektrons. „Aktivierung“ bedeutet, dass das Substrat reaktionsfähig gemacht wird. Die Verwendung von sichtbarem Licht und die photochemische Aktivierung ermöglichen die Entwicklung milder und einfacher Reaktionsbedingungen.

Die Chemiker verwendeten in diesem Fall ein für die Herstellung von Pharmazeutika und Agrochemikalien wichtiges schwefelhaltiges Molekül, Thiophen, als Substrat. Bei dem neuen Verfahren wird schließlich die Kohlenstoff-Schwefel-Bindung des Thiophens gespalten. Der zweite Reaktionspartner – ein Molekül, das aus einem gespannten viergliedrigen Ring (Bicyclobutan) besteht – wird zwischen Schwefel und Kohlenstoff eingefügt. Die Umwandlung ist umweltfreundlich und atomökonomisch, das heißt, alle Atome der beiden Ausgangsstoffe gelangen in das Produkt.

Das Team deckte den zugrundeliegenden Mechanismus der neuen Reaktion durch eine enge Zusammenarbeit von experimenteller und computergestützter Chemie auf. Die Gruppe von Frank Glorius führte eine Reihe von experimentellen Studien durch, um den möglichen Mechanismus zu untersuchen. Zusätzlich modellierten Ken Houk und seine Gruppe die Reaktion computergestützt im Detail. So zeigten sie, wie diese Reaktionen ablaufen und warum sie sehr selektiv auftreten. „Berechnungen der Dichtefunktionaltheorie zeigten, dass die beobachteten Ringerweiterungsmechanismen über photoredox-induzierte Radikal-Ionen-Mechanismen ablaufen“, erklärt Postdoktorandin Dr. Huiling Shao.

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