Sorgen trotz Rekorden - Chemie-Verhandlungen vor heißer Phase

02.04.2008

(dpa-AFX) Rekordergebnis, Gewinnsprung, Expansionskurs: Die großen deutschen Chemieunternehmen sparten bei ihren Bilanzpressekonferenzen für das Jahr 2007 in den vergangenen Wochen nicht mit positiven Nachrichten. BASF, Bayer und die meisten anderen Branchenriesen rechnen auch für das laufende Jahr mit teils deutlichen Zuwächsen. Wasser auf die Mühlen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die bei den anstehenden Tarifverhandlungen auf Bundesebene für die Beschäftigten eine kräftige Erhöhung der Entgelte fordert. Die Arbeitgeber betonten dagegen vor allem die konjunkturellen Risiken vor der ersten überregionalen Verhandlungsrunde in Hannover.

Dass die chemische Industrie in Deutschland ein sehr gutes Jahr hinter sich hat, bestreitet auch im Arbeitgeberlager niemand. Um 7,5 Prozent kletterte der Branchenumsatz, für das laufende Jahr rechnet der Verband der Chemischen Industrie dagegen "nur" mit 4,5 Prozent Wachstum. Die Gewerkschaft hält das für Schwarzmalerei und verweist darauf, dass die Arbeitgeber auch für das vergangene Jahr nur ein Umsatzplus von 2,5 Prozent vorausgesagt hatten.

Zentraler Punkt des Tarifpaketes der IG BCE ist die Forderung nach einer Erhöhung der Entgelte um sieben Prozent für die 550.000 Beschäftigten. Verhandlungsführer Werner Bischoff sieht Spielraum dafür, "die Chemie-Konjunktur bewegt sich nach wie vor auf einem hohen Niveau".

Im vergangenen Jahr setzte die Gewerkschaft eine Erhöhung um 3,6 Prozent plus Einmalzahlungen durch. Zuvor hatte sie Protestaktionen auf die Beine gestellt, die für die eher kompromissfreudige Chemiebranche ungewöhnlich heftig waren. Gestreikt werden kann in der chemischen Industrie allerdings nicht so schnell. Nach Angaben des Arbeitgeberverbandes BAVC sieht eine Schlichtungsordnung vor, dass vor dem Abschluss einer Schlichtung kein Arbeitskampf möglich ist.

Die Arbeitgeber stellen sich dieses Mal auf ein langes Ringen ein. Verhandlungsführer Hans-Carsten Hansen spricht von Verhandlungen mit "erheblicher Komplexität". Seine wichtigsten Argumente gegen die Tarifforderungen der Gewerkschaft: Gestiegene Preise für Öl und Rohstoffe, der starke Euro und die internationale Finanzkrise.

Die Exportquote der deutschen Chemieindustrie liegt deutlich über 50 Prozent. Die Arbeitgeber warnen außerdem immer wieder davor, die Rekordzahlen von BASF, Bayer und Co. als Spiegelbild der gesamten Branche zu nehmen. 80 Prozent der Unternehmen beschäftigten weniger als 500 Menschen und seien dem Mittelstand zuzuordnen, so der BAVC.

Tatsächlich tummeln sich in der chemischen Industrie ganz unterschiedlich ausgerichtete Unternehmen: Da sind die großen Pharmakonzerne wie zum Beispiel Boehringer Ingelheim. Es gibt die "Gemischtwarenläden" wie den Branchenführer BASF, der vom Pflanzenschutzmittel über Kunststoffe bis hin zum Öl- und Gasgeschäft eine ganze Palette von Bereichen beackert. Viele mittelgroße und kleinere Unternehmen sind dagegen auf einige wenige Produkte spezialisiert. Sie haben nicht die Möglichkeit, schleppende Geschäfte oder gestiegene Kosten in einem Bereich mit Erfolgen in anderen Segmenten zu kompensieren.

Ein Beispiel: Die Chemische Fabrik Budenheim bei Mainz ist auf die Herstellung von Phosphaten spezialisiert, die dann unter anderem in Lebensmitteln zum Einsatz kommen. Dafür ist das Unternehmen mit seinem Jahresumsatz von 240 Millionen Euro auf Phosphorsäure angewiesen. Problem: "Die Preise dafür haben sich innerhalb von zwölf Monaten vervierfacht bis verfünffacht", sagt der Sprecher der Geschäftsleitung, Christian Kohlpaintner. Das liege wiederum an der stark gestiegenen Nachfrage nach Düngemitteln weltweit.

Das Unternehmen muss nun seine Verkaufspreise in etwa verdoppeln, um die gestiegenen Kosten verkraften zu können. Ob das am Markt durchsetzbar ist, wird sich laut Kohlpaintner erst in den nächsten Monaten zeigen. Das Problem: Zum einen gebe es Konkurrenten, die für ihre Produkte nicht auf Phosphorsäure angewiesen seien, sagt Kohlpaintner. Der im Vergleich zum Euro schwache US-Dollar erleichtere außerdem Firmen aus dem Dollar-Raum den Zugang zum europäischen Markt, "die bisher nie wettbewerbsfähig waren".

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