Start-up will Chemieindustrie defossilisieren: "Wir wollen die richtig schwierigen Kunststoffabfälle wieder zum Rohstoff umwandeln"

Gründer im Interview: Cyclize

28.02.2024
Cyclize

Cyclize Gründerteam: Jan Stein, Maike Lambarth, Stephan Renninger und Dominik Novakovic (v.l.n.r.)

Wer ist eigentlich Cyclize und was macht das ClimateTech-Startup? In einem Interview beantwortet Maike Lambarth, Mitbegründerin und CEO von Cyclize, alle Fragen der chemie.de-Redaktion. Herzlichen Dank dafür!

Wer seid Ihr und woher kommt Ihr?

Zusammen mit Stephan (Renninger) meinem Mitgründer und jetzigen CTO von Cyclize forsche ich (Maike Lambarth) schon seit fast 6 Jahren am Thema Kohlenstoffrecyclings mittels Plasma-Technologie. Begonnen haben wir mit dem energieintensiven Prozess der CO2-Spaltung zur Herstellung von Schiffsdiesel. Unsere Wirtschaftlichkeitsrechnungen zeigten uns schnell, dass sich das nicht rechnet, auch wenn es technisch spannend ist. Nachdem wir viele andere mögliche Prozesse durchgerechnet hatten, hatte Stephan die Idee des Cyclize-Prozesses, bei dem neben CO2 vor allem gemischte Kunststoffabfälle aller Art im Plasma zu Synthesegas reformiert werden. Synthesegas, ein Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, ist ein Grundbaustein der Chemie, das wir bislang aus Erdgas oder Kohle herstellen, um daraus vielfältige Produkte wie Kunststoffe, Schaumstoffe, Klebstoffe, Farben, Lacke, Wasserstoff, Dünger, Treibstoff und vieles mehr herzustellen. Da war klar, wir gründen. Dieses riesige Potential muss zur Industriegröße weiterentwickelt werden. Zusammen mit Jan (Stein) der schon länger mit uns den Plasmareaktor entwickelt hat und Dominik (Novakovic) mit BWL-Erfahrung, sind wir vor 2 Jahren gemeinsam in die Existenzgründung durch das Förderprogramm EXIST gestartet.

Welche Herausforderung löst Cyclize? Was ist Eure große Vision?

„To cyclize“ bedeutet in der Chemie, ein lineares Molekül zum Ring zu schließen. Mit Cyclize wollen wir die lineare Kohlenstoffnutzung zu einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft wandeln. Der Berg an Kunststoffabfällen wächst täglich. Global haben wir für 91% davon bisher keine bessere Lösung als die Verbrennung oder das Deponieren. Dabei steckt noch jede Menge Potenzial darin. Diese Herausforderung lösen wir mit Cyclize: Kunststoffreformierung zu nicht-fossilem Synthesegas. Der Kohlenstoff im Abfall wird so wieder zum Einsatzstoff und ersetzt fossile Ressourcen. Besonders erwähnenswert sind die konkurrenzfähig niedrigen Produktionskosten, denn der Strombedarf zur Erzeugung des Plasmas ist sehr gering. Drei Mal weniger verglichen mit einem Elektrolyseprozess. Langfristig ist die Elektrifizierung der gesamten Chemieindustrie das Ziel. Plasmatechnologie kann dazu einen großen Beitrag leisten. Eine spannende Anwendung ist für uns außerdem die emissionsfreie Zementherstellung und das Direct Air Capture. Zu beiden haben wir Patente eingereicht und den Proof of Principal erbracht. Es fehlen jedoch noch die passenden Marktkonditionen für den Einstieg.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?

Obwohl wir WissenschaftlerInnen sind und uns Technologie begeistert, war uns immer eine sinnvolle Anwendbarkeit unserer Arbeit wichtig. Konkret heißt das, ein wirtschaftlicher Prozess, der sich an energetisch sinnvoller Stelle in die Wertschöpfung eingliedert. Strom ist und wird weiterhin eine wertvolle und begrenzte Ressource sein, insbesondere an einem Standort wie Deutschland. Der Trick beim Cyclize-Prozess ist, dass wir die Energie, die in den Kunststoffabfällen steckt, chemisch nutzen, ohne diesen zu verbrennen, wodurch sich der Strombedarf drastisch senken lässt. Das Ergebnis: günstiges Kohlenstoff-Recycling aus bisher nicht verwertbaren Abfällen.

Wie war Euer Entwicklungsprozess? Was waren die größten Herausforderungen und Rückschläge? Was waren die größten Erfolge?

Begonnen haben wir ganz klein. Ein Plasma, so groß wie eine Filmdose mit 35 Watt. Nach einigen Skalierungschritten und 5 Anlagen später schaffen wir schon 10.000 Watt in unserer Pilotanlage und in einigen Monaten werden es 30 kW sein. Mit der nun aufgenommenen Seed-Finanzierung von rund 5 Mio € bauen wir die Demo-Anlage im Chemiepark mit 330 kW. Das große Ziel ist eine 10 MW Anlage, um einen durchschnittlichen Synthesegasbedarf abdecken zu können.

Das letzte Jahr war kein einfaches, weder in der Chemie- noch in der Investoren-Welt. So sind wir umso glücklicher, die Seed-Runde mit phänomenalen Investoren und Partnern an unserer Seite zu starten und mit vielen Chemieunternehmen in gutem Austausch zu stehen. Wir freuen uns auf die nächsten Schritte.

Wie war die Reaktion des Markts und der Branche?

Wir erhalten viele Anfragen von Unternehmen und freuen uns über das große Interesse aus dem Markt. Die Synthesegas-basierte Chemieindustrie ist dabei nur ein Teil des Marktes. Eine Vielzahl an Anfragen erreichen uns auch aus der kunststoffverarbeitenden Industrie, in der sich die Unternehmen im Zuge der Scope 3 Emissionen Gedanken über die Recyclingfähigkeit ihrer Produkte machen. Das Recycling dieser ist aus verschiedensten Gründen selbst mit Technologien wie der Pyrolyse oder der Depolymerisation nicht möglich. Genau hier setzt Cyclize an. Wir wollen die richtig schwierigen Kunststoffabfälle wieder zum Rohstoff in Form von Synthesegas umwandeln und den Kohlenstoff erneut stofflich nutzen.

Würdet Ihr diesen Weg wieder gehen - oder gibt es etwas, was Ihr anders machen würdet?

Ja, unbedingt! Wir haben aus der bisherigen Reise viel gelernt, sind als Team und als Individuen gewachsen und freuen uns auf die nächsten Schritte mit wachsendem Team, hin zur Vision der Defossilisierung der Chemieindustrie.

Was können andere von Eurer Start-up-Geschichte lernen?

Auch wenn der Weg am Anfang weit scheint; nicht alles auf Anhieb klappt, auch nicht immer beim zweiten und dritten Versuch; es lohnt sich, zusammen dran zu bleiben. Das Team ist neben der Technologie das wichtigste Gut als junges Startup. Es lohnt sich, aktiv am Team zu arbeiten. Wir sagen immer Arbeit am Unternehmen, nicht nur im Unternehmen. Das ist Anfangs schwierig, weil es immer viel zu tun gibt, aber wenn die Basis - das Team - nicht stimmt, wird auch das Technologie-Gerüst darauf herausfordernd.

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